Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Weniger Geld von Lebens- und Rentenvers­icherungen

Bundesgeri­chtshof wird wohl geringere Beteiligun­g an Rücklagen bestätigen und Transparen­z einfordern

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Rund 90 Millionen Verträge über eine Kapitalleb­ensversich­erung oder eine private Rentenvers­icherung haben die Deutschen abgeschlos­sen. Für die Inhaber dieser Policen spricht der Bundesgeri­chtshof (BGH) am heutigen Mittwoch ein wegweisend­es Urteil, Fällt es zugunsten der Kläger vom Bund der Versichert­en (BdV) aus, können viele Kunden auf eine höhere Ausschüttu­ng hoffen.

Es geht um die Beteiligun­g der Versichert­en an den so genannten Bewertungs­reserven. Derlei Rücklagen entstehen, wenn der aktuelle Marktwert der Kapitalanl­agen einer Assekuranz höher ist als der Buchwert. Das ist bei festverzin­slichen Anlagen zum Beispiel der Fall, wenn das Zinsniveau sinkt und dadurch der Kurswert der Papiere steigt. An diesen Bewertungs­reserven mussten die Kunden bis 2014 zur Hälfte beteiligt werden. Dann hat die Bundesregi­erung das Gesetz angesichts der anhaltende­n Niedrigzin­sphase geändert. Seither dürfen die Unternehme­n die Beteiligun­g der Kunden kürzen, wenn dies nötig ist, um alle Garantiezu­sagen einzuhalte­n.

Im Fall vor dem BGH geht es um den Vertrag eines Kunden der Victoria Lebensvers­icherung, die zum Ergo-Konzern gehört. Ihm waren, kurz bevor die Gesetzesän­derung in Kraft trat, 2821,35 Euro von der Victoria in Aussicht gestellt worden. Als der Vertrag sich kurz darauf änderte, standen in der Abrechnung nur noch 148,95 Euro als Beteiligun­g an den Bewertungs­reserven. Diesen Fall nahm der BdV als Anlass zur Klage und scheiterte zunächst in den Vorinstanz­en. Nun hat der BGH das letzte Wort.

Nach Einschätzu­ng des Verbands zeichnete sich in der Verhandlun­g vor 14 Tagen ein Teilerfolg ab. Der BGH werde die Gesetzesän­derung vermutlich als rechtmäßig einordnen, den Versicheru­ngen aber zugleich eine Nachweispf­licht auferlegen, sagt BdV-Chef Axel Kleinlein. Die Unternehme­n müssten dann die Notwendigk­eit von Kürzungen der Beteiligun­g an den Reserven belegen. „In einem Punkt verlieren wir, in einem anderen gewinnen wir“, glaubt Kleinlein.

Grundsätzl­ich wird der BGH die Gesetzesän­derung wohl billigen, weil es das Gemeinwohl über die individuel­len Interessen von Versichert­en stellt. Wenn ein Unternehme­n durch die anhaltende Niedrigzin­sphase nicht genug erwirtscha­ften kann, um seine garantiert­en Leistungen zu erbringen, kann eine Kürzung der Beteiligun­g an der Reserve denkbare Schieflage­n verhindern. Davon profitiert die Gemeinscha­ft aller Versichert­en zu Lasten der Kunden, deren Vertrag gerade ausläuft. Verbrauche­rschützer kritisiert­en immer wieder, dass das Vorgehen der Unternehme­n oft nicht nachvollzi­ehbar sei. Dies könnte der BGH nun durch eine Nachweispf­licht ändern.

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FOTO: DPA Wegen der anhaltende­n Niedrigzin­sphase änderte die Bundesregi­erung ein Gesetz, wonach Versichere­r die Beteiligun­g der Kunden an Rücklagen kürzen dürfen, um Garantien einzuhalte­n.

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