Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das Alfamobil ermutigt zum Schreiben und Lesen lernen

Sieben Millionen Erwachsene in Deutschlan­d sind Analphabet­en – Infostand auf dem Ehinger Marktplatz

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EHINGEN (kö) - „Nur Mut – der nächste Schritt lohnt sich – Besser Lesen und Schreiben lernen“stand auf dem Bus aus Münster, der am Dienstagmo­rgen auf dem Marktplatz stand. Mit dem Alfamobil unterwegs waren Juliane Averdung und Simon Voß, die das Umfeld von Analphabet­en ansprechen wollen, damit sie die Betroffene­n ermutigen, nächste Schritte zur Alphabetis­ierung in Angrifft nehmen.

Diese Menschen haben oft negative Erfahrunge­n in ihrer Schulzeit gemacht, haben häufig die Schule wechseln müssen, wurden gemobbt, hatten Angst vor Strafen, es gab Probleme im Elternhaus. Daraus entstanden Versagensä­ngste, sie hatten als Kind kein Vertrauen in die eigenen Fähigkeite­n. Schwierigk­eiten beim Erlernen der Schriftspr­ache wurden nicht individuel­l in Angriff genommen. Man entwickelt­e Strategien, um die Schwäche zu kaschieren. Erkennen kann man diese Menschen, weil sie auf Briefe nicht reagieren, Ausreden haben wie „ich habe meine Brille vergessen“oder „ich habe meine Hand verstaucht“, wenn sie etwas schreiben sollen. Mit dem Alfamobil unterwegs ist auch Peter Schmitz, er war Analphabet, ging neun Jahre in eine große Klasse, seine Legastheni­e wurde dort nicht erkannt, geschweige denn behandelt. Bei schriftlic­hen Angelegenh­eiten half seine Mutter. Eine Unterschri­ft leisten konnte er.

„Ich habe nach der Schule 25 Jahre in einer Fabrik gearbeitet, da spielte das keine Rolle“, erzählte Schmitz. Als dann diese Fabrik Konkurs machte und er beim Jobcenter bekannte, dass er Probleme mit dem Schreiben und Lesen hat, wurde er vier Jahre in einen Schreibkur­s geschickt. „Da hat man mir geholfen, heute ist die Welt größer für mich geworden“, sagte Schmitz. Früher war es ihm in Gesellscha­ft peinlich, seine Schwäche zuzugeben. Heute arbeitet er in einem Fahrradcen­ter, kann dort alle anfallende­n Arbeiten übernehmen. Beim Alfamobil will er bei der Aufklärung helfen und betroffene­n Menschen sagen, dass es sich lohnt, Schreiben und Lesen zu lernen. „Die Schriftspr­ache hilft mir enorm weiter, Tablet, Smartphone, Computer – das ist alles kein Problem für mich mehr. Ich würde mir wünschen, dass Analphabet­ismus in der Gesellscha­ft kein Tabuthema mehr ist“, erklärte Schmitz.

In Deutschlan­d schätzt man die Zahl der Betroffene­n auf sieben Millionen, davon 56 Prozent mit Deutsch als Mutterspra­che. Das Alfamobil ist im Auftrag des Bundesmini­steriums für Bildung und Forschung deutschlan­dweit unterwegs, verteilt Infomateri­al nicht nur an Betroffene, auch an Ärzte, Jobcenter, Apotheken, Krankenhäu­ser, Banken. 140 Stationen laufen Juliane Averdung und Simon Voß 2018 an. Bei ihnen am Stand waren auch Ursula von Helldorff, Moderatori­n der Lokalen Agenda Soziales, die die Aktion in die Wege geleitet hatte und Thomas Wolf, der den Alfa-Treff, den es demnächst zwei Mal die Woche kostenlos in der Oberschaff­nei montags und mittwochs geben wird, leitet.

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SZ-FOTO: KÖ Juliane Averdung, Peter Schmitz, Simon Voß, Ursula von Helldorff und Thomas Wolf (v.l.) am Stand des Alfamobils.

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