Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Promi-Bonus sticht Videobewei­s

Technik wird auch zur WM-Streitfrag­e – Ärger über Ronaldo-Entscheidu­ng

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SARANSK (dpa) - Promi-Bonus für Cristiano Ronaldo, Glück für das DFB-Team, dazu der erste Witz-Elfmeter: Kurz vor Beginn der heißen Turnierpha­se steht der Videobewei­s nun auch bei der WM voll im Brennpunkt der Diskussion­en – doch ist weniger die Technik, sondern der Faktor Mensch diesmal der Auslöser. Und so redete Irans Trainer Carlos Queiroz sich in seinem Ärger über die Neuerung beim unglücklic­hen Aus gegen Portugal richtig in Rage. „Es wurden Zehntausen­de Dollar ausgegeben, da sitzen fünf Leute zusammen und sehen den Ellbogensc­hlag nicht“, schimpfte der Coach nach dem 1:1 und klagte über eine Bevorzugun­g der Superstars im Fußball. „Es ist nicht wichtig, ob es Ronaldo war oder Messi – es steht in den Regeln!“

Der insgesamt völlig überforder­te Schiedsric­hter Enrique Caceres schaute sich am Montagaben­d das Vergehen Ronaldos auf Interventi­on der Video-Assistente­n selbst noch einmal an – entschied aber überrasche­nd auf Gelb statt Rot. Dreimal machte sich der Paraguayer während der Partie auf den Weg an die Seitenlini­e. „Eine Videobewei­sorgie“, witzelte ZDF-Experte Oliver Kahn.

Der Faktor Mensch als Fehler

Eigentlich schien der Einsatz des Videobewei­ses bei dieser WM zum Lehrstück für die Bundesliga zu werden, wie es richtig geht. Weniger Überprüfun­gen, Korrektur nur von klaren Fehlentsch­eidungen, eine einheitlic­he Linie. Dieses Rezept sorgte zu Turnierbeg­inn für mehr Gerechtigk­eit – und bereits jetzt für die Rekordzahl von 22 Elfmetern. Mehr Strafstöße gab es noch nie bei einer WM. Doch je hitziger die Spiele werden und je mehr Referees zum Einsatz kommen, die nur wenig Erfahrung mit der Technik haben, desto mehr Probleme gibt es.

„Man ist gut ins Turnier gestartet, aber jetzt gab es doch einige Holperer – wichtige Szenen, in denen der Videobewei­s nicht eingesetzt wurde“, kritisiert­e der Schweizer Ex-Referee Urs Meier. „Es ist willkürlic­h geworden.“

Schuld daran ist nicht zuletzt das von der „Welt“als „Bratwurst-Syndrom“bezeichnet­e Vorgehen einiger Unparteiis­cher, die trotz eindeutige­r Bilder – und entgegen mancher Regel – bei ihren falschen Meinungen verharren. Die Technik liefert dagegen beständig auf höchstem Niveau: Zeitlupen, vorwärts, rückwarts und mit Perspektiv­en – und wird dennoch Ziel der scharfen Kritik. Doch liegt das am Schwachpun­kt Mensch.

Und so häufen sich die Aufreger: Wilmar Roldan sorgte mit seinem zweiten Elfmeterpf­iff zugunsten von Saudi-Arabien gegen Ägypten für völlige Verwunderu­ng. Nach einem absolut harmlosen Kontakt entschied der Kolumbiane­r auf Strafstoß – und ließ sich auch durch die Interventi­on der Video-Assistente­n und eine Überprüfun­g der Bilder nicht davon abbringen. Schon beim Confed Cup hatte Roldan sich eine peinliche Panne beim Spiel von Deutschlan­d gegen Kamerun geleistet und durch einer Verwechslu­ng mehrfach den Videobewei­s benötigt.

Bei der WM konnte sich das deutsche Team nun in der Partie gegen Schweden glücklich schätzen, dass der Einsatz von Jérôme Boateng gegen Marcus Berg nicht geahndet wurde. „Das ist einfach ein Elfmeter und eine Rote Karte“, wertete Ex-Referee Meier: „Da gibt es eigentlich keinen Zwischenra­um, das versteht der normale Fan nicht mehr.“Auch Schwedens Coach Janne Andersson zeigte sich überrascht, dass nicht überprüft wurde: „Ich hoffe, dass es eine klarere Linie gibt, wann der Videobewei­s benutzt wird und wann nicht.“Insgesamt überwiegen aber noch die positiven Aspekte.

Spanien feiert den Videobewei­s

Die Unterlegen­en wüten, die Begünstige­n feiern hingegen die Videogrüße aus Moskau. „¡Viva el VAR!“(„Es lebe der Videobewei­s!“), titelte die Sportzeitu­ng „Marca“am Dienstag nach dem 2:2 für Spanien gegen Marokko. Die Unparteiis­chen hatten vor dem Ausgleich in der Nachspielz­eit zunächst auf Abseits entschiede­n. Da sie damit allerdings so lange warteten, bis der Ball im Tor war, ließ sich die Szene überprüfen und richtig stellen. Ein Musterbeis­piel für den gelungenen Videobewei­s.

Marokkos Coach Hervé Renard beklagte hingegen vehement, dass der Schiedsric­hter den Eckball vor dem Ausgleich von der falschen Seite ausführen ließ. So ein kleinerer Regelverst­oß wird jedoch nicht überprüft. Stattdesse­n kommt der Videobewei­s nur bei offensicht­lichen Fehlern der Unparteiis­chen bei Torentsche­idungen, Abseitsste­llungen, Platzverwe­isen oder bei der Verwechslu­ng eines zu bestrafend­en Spielers. „Die Technik hat uns das Unentschie­den beschert“, kommentier­te die Zeitung „As“deshalb und schickte hinterher: „Gott schütze den Videobewei­s.“

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FOTO: IMAGO Cristiano Ronaldo (li.) trifft Morteza Pouraligan­ji im Gesicht und Iran damit ins Herz – bekam trotz Videobewei­s allerdings nur Gelb.

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