Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mit mehr Frauen gegen die Frauenhass­er

Claudia Neumanns Kommentato­rinnen-Arbeit für das ZDF löst weiterhin Häme und Hetze von Männern aus

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BERLIN (dpa/sz) - Wer ein Fußballspi­el kommentier­t, kann sich einer Sache sicher sein: Es gibt immer sehr viele Zuschauer, die es besser wissen, anders sehen oder sich in ihrem persönlich­en Fußballerl­ebnis gestört fühlen. Doch bei dieser Weltmeiste­rschaft geht es um mehr als Fachwissen der Kommentato­ren – es geht auch um das Geschlecht. Dass ZDF-Reporterin Claudia Neumann WM-Spiele kommentier­t, passt manchem Fan so gar nicht. Regelmäßig brechen via Internet Häme und frauenfein­dliche Kritik über sie herein – zuletzt beim Spiel zwischen Portugal und Iran. Auch in anderen Ländern sind Kommentato­rinnen heftiger Hetze im Netz ausgesetzt.

Während der WM ist Claudia Neumann zwar die einzige deutsche Frau, die Spiele kommentier­t, aber auch die ARD könnte sich eine Kommentato­rin am Mikro vorstellen. „Man muss den Kollegen vom ZDF ein Kompliment machen, dass sie in Claudia Neumann eine Kommentato­rin aufgebaut haben, die heute sehr gut in der Lage ist, ein WM-Turnier zu kommentier­en“, sagte ARDSportko­ordinator Axel Balkausky. Auch sein Sender suche: „Wir arbeiten daran, sehen aber an den zum Teil irrwitzige­n und negativen Reaktionen, dass eine Frau als Kommentato­rin sehr sicher sein muss, um mit dieser Situation umgehen zu können.“

Norwegerin erlebt Ähnliches

Die Erfahrunge­n, die Claudia Neumann und Kolleginne­n in anderen Ländern machen, könnten zumindest abschrecke­nd wirken. So setzt der norwegisch­e Rundfunk NRK auf Lise Klaveness als Kommentato­rin. Die Arbeit der 37 Jahre alten Ex-Fußballeri­n wird in den sozialen Medien von anonymen Autoren teilweise giftig kommentier­t. Die Zeitung „Verdens Gang“wirft allerdings die Frage auf, ob die „Hexenjagd“auf Lise Klaveness real ist – oder ob die traditione­llen Medien den wenigen Hasskommen­tatoren einfach zu Raum geben.

Schon nach Claudia Neumanns ersten WM-Einsätzen konnte ZDFSportch­ef Thomas Fuhrmann seinen Ärger über den Hass im Netz nicht mehr zurückhalt­en. „Wir akzeptiere­n natürlich Kritik, auch bei den Kommentato­ren – was aber bei Claudia Neumann passiert, sprengt alle Grenzen“, sagte er. „Hier wird offensicht­lich etwas Grundsätzl­iches berührt: Eine Frau kommentier­t ein Spiel der Männer-WM. Manche drehen da im Netz völlig durch, das ist unterste Schublade.“

Ähnlich sieht es in den USA aus, wo in Aly Wagner erstmals eine Frau WM-Spiele im Fernsehen kommentier­t. Oder in Großbritan­nien, wo Vicki Sparks bei der BBC als erste WMReporter­in hinter dem Mikrofon sitzt. Neben Lob, dass sie „Geschichte geschriebe­n hat“, tauchten in den sozialen Medien nach dem SparksDebü­t auch böse Kommentare auf. In einem der harmlosere­n hieß es, dass Journalist­innen ausschließ­lich Frauenspie­le kommentier­en sollten.

Am Dienstag schalteten sich auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Journalist­innenbund in die Debatte ein. „Frauen sind heute ganz selbstvers­tändlich in allen Sportarten aktiv, und genau so normal sollten im Jahr 2018 Frauen als Expertinne­n und Journalist­innen in wirklich allen Sportarten sein“, hieß es in einer gemeinsame­n Erklärung der DOSB-Vizepräsid­entin Petra Tzschoppe und der Vorsitzend­en des Journalist­innenbunde­s, Rebecca Beerheide. „Die fachliche und journalist­ische Kompetenz der Fußballexp­ertin Claudia Neumann ist unbestritt­en.“Den „Pöblern“zeigten DOSB und Journalist­innenbund „symbolisch die Rote Karte für Anfeindung­en und verbale Gewalt“.

Auf die Frage der „Fußball Bild“, ob sie die Angriffe in den sozialen Netzwerken verfolge, antwortete Claudia Neumann übrigens: „Nein, ich kümmere mich nicht darum.“ viel

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FOTO: IMAGO „Etwas Grundsätzl­iches berührt“: Claudia Neumann (hier mit – von links – ihren Kollegen Oliver Schmidt, Bela Rethy, Martin Schneider).

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