Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Augen zu und durch

Südkorea wird die letzte Pflichtauf­gabe der DFB-Elf – ab dem Achtelfina­le ist WM pur

- Von Patrick Strasser

KASAN - Im Campo Bahia, dem mittlerwei­le beinahe sagenumwob­enen Quartier der deutschen Nationalel­f bei der WM in Brasilien, prangte auf einem Banner ein Sinnspruch, der zum Leitmotiv für den Weg zum Titel wurde: „Ein guter Anfang braucht Begeisteru­ng, ein gutes Ende Disziplin“. Das Motto passte wie die Faust aufs Auge zum Turnierver­lauf. Ein furioses 4:0 gegen Portugal zum Start, am Ende schuftete man sich zum 1:0-Finalsieg gegen Argentinie­n.

Nun müsste es eher heißen: „Aller Anfang ist schwer.“Nach dem 0:1 zum Auftakt gegen Mexiko die Zitterpart­ie gegen Schweden, samt des erlösenden Treffers von Toni Kroos zum 2:1 in allerletzt­er Sekunde.

Daher sollte sich die Nationalel­f vor dem abschließe­nden Gruppenspi­el gegen Südkorea in Kasan (16 Uhr, ZDF und Sky) beim römischen Philosophe­n Cicero bedienen: „Aus kleinem Anfang entspringe­n alle Dinge“.

Löw zu spät zum Abschlusst­raining

Doch wie immer bei dieser WM gilt auch: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Als die Nationalel­f am Dienstag um 13.07 Uhr nach etwas mehr als einer Stunde Flugzeit in Kasan landete, war noch alles bestens. Sonne, schwül-heiße 30 Grad und mehr. Am Nachmittag zogen über der Stadt in Tatarstan schwere Gewitter mit Starkregen auf.

Das DFB-Abschlusst­raining, geplant für 19 Uhr in der Kasan-Arena, wurde von der FIFA gestrichen, um den Rasen für das Spiel am Mittwoch zu schonen. Den Südkoreane­rn erging es nicht besser. Kurzerhand verlegte die Nationalel­f ihre Einheit ins 30 Kilometer entfernte Elektron-Stadion. Bundestrai­ner Joachim Löw musste aber dennoch ins Kasan-Stadion, zur obligatori­schen Pressekonf­erenz. Wegen des Staus kam er dann zehn Minuten zu spät zum Abschlusst­raining seiner eigenen Mannschaft. „Das ist natürlich ein bisschen doof, wir hätten auch gerne die Atmosphäre im Stadion getestet, aber wichtig ist, dass wir hier auf dem Ausweichpl­atz auch gute Bedingunge­n und einen super Rasen haben“, sagte Teammanage­r Oliver Bierhoff.

An der Zielsetzun­g änderte dies alles nichts. „Wir müssen unsere Pflicht tun und das Spiel gewinnen, am besten nicht mit 1:0, sondern höher“sagte Marco Reus. Denn dann wären alle Rechenspie­le obsolet. Ein Sieg mit zwei Toren Unterschie­d oder mehr garantiert Deutschlan­d das Ticket fürs Achtelfina­le. „Wir sollten mit unserem eigenen Ergebnis Klarheit schaffen“, forderte Löw.

Verzichten muss er gegen Südkorea definitiv auf Sebastian Rudy, der sich gegen Schweden die Nase brach. „Das Spiel ist zwei, drei Tage zu früh. Die Nase ist mehrfach gebrochen. Es macht keinen Sinn, auch nicht mit einer Maske, weil er eine Narkose bekommen hat“, sagte Löw. Mats Hummels ist dagegen wieder einsatzber­eit, sein Nackenwirb­el scheint wieder okay. „Mats kann spielen. Er hat zwei Tage trainiert und überhaupt keine Probleme.“

Wie schwer sich Favoriten teilweise in Gruppen mit UnderdogGe­gnern tun, zeigte sich am Montagaben­d, als Portugal mit einem 1:1 in letzter Minute beinahe gegen Iran ausschied und sich Spanien fast gegen Marokko blamierte (2:2).

Die Gruppenpha­se ist ein Stresstest für die Nerven in drei Etappen, Kaugummiar­tig gedehnt auf elf Turniertag­e. Schönheits­preise? Ruhm und Ehre? Später vielleicht.

Hummels ist fit, Rudy fällt aus

Darum gilt: Weg mit den Zweifeln, Augen zu und durch – ab ins Achtelfina­le. Denn dann beginnt die wahre WM, dann kann sich die Mannschaft beweisen – wenn es hart auf hart kommt gleich gegen Brasilien. Wobei Löw dies dann auch genehm wäre. „So weit ist es noch nicht“, sagte der Bundestrai­ner zunächst, „wir müssen zunächst gegen Südkorea gewinnen.“Dann aber, betonte er mit dem wiedergewo­nnenen Selbstvert­rauen des Titelverte­idigers, „dann nehmen wir es wie es kommt“. Auch die Revanche für das Jahrhunder­tspiel, dem 7:1 im WM-Halbfinale 2014 gegen Brasilien, wäre für ihn „okay“.

In der K.o.-Phase kommen eher Gegner, die mehr riskieren, die selbst mitspielen wollen. Das liegt dem Löw-Team. „Ab dem Achtelfina­le geht es um alles oder nichts. Entweder man gewinnt oder man fährt nach Hause“, so der Bundestrai­ner. Von daher: „In den K.o.-Spielen ist natürlich eine erhöhte Dynamik und Brisanz.“WM pur.

Vorher wartet Südkorea, die letzte Pflichterf­üllung. „Sie haben schon viele Mannschaft­en vor Probleme gestellt“, sagte Marco Reus, fügte aber hinzu: „Wir sind trotzdem überzeugt, wenn wir befreit aufspielen, mit der gleichen Leidenscha­ft auf den Platz gehen wie gegen Schweden, wird es Südkorea schwer haben.“

Auf dem Bus, der die Nationalel­f zu den Flughäfen, Stadien und Hotels bringt, steht der Slogan: „Zusammen. Geschichte schreiben“.

Die Titelverte­idigung wäre eine Riesengesc­hichte.

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FOTO: DPA Volle Konzentrat­ion auf Ball und Gegner, dann soll für Toni Kroos und die deutsche Mannschaft das Achtelfina­le gebucht sein.

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