Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Archäologe­n entdecken alte Tonfigur

Groß angelegte Ausgrabung in der Ehinger Innenstadt förderte Überraschu­ngen zutage

-

EHINGEN (dtp/sz) - Die Fußgänger in der Ehinger Innenstadt hatten sich bereits an die Anwesenhei­t der Archäologe­n in der Nähe des Marktplatz­es gewöhnt. Seit November 2017 fand auf dem Areal des zukünftige­n Volksbankh­öfe-Komplexes eine archäologi­sche Ausgrabung statt. Nun sind die Arbeiten dort seit Anfang Juni beendet, sieben Wochen früher als geplant – das Landesamt für Denkmalpfl­ege im Regierungs­präsidium Stuttgart gibt den Abschluss der Stadtkerng­rabung in Ehingen bekannt und zieht eine erste Bilanz. Die erste groß angelegte Ausgrabung im Stadtkern förderte demnach einige Überraschu­ngen zutage.

Man hatte mit Spuren mittelalte­rlichen Handwerks in den Hinterhöfe­n gerechnet. Stattdesse­n kamen vor allem die „stillen Örtchen” der ehemaligen Bewohner zum Vorschein. Nicht weniger als elf Latrinen konnten die Archäologe­n der Grabungsfi­rma Archäograp­h ganz oder teilweise freilegen.

Die Toiletten gehörten zu den inzwischen abgerissen­en Häusern an der Schul- und der Sonnengass­e. Sie waren nicht alle gleichzeit­ig in Benutzung. War eine Latrine voll, wurde in der Nachbarsch­aft eine neue ausgehoben. Obwohl das schon damals nicht gerne gesehen wurde, entsorgten die Ehinger auch ihren Hausmüll im Abort – eine wahre Fundgrube für Archäologe­n.

Die Abfälle geben Auskunft über die Lebensgewo­hnheiten vom späten Mittelalte­r bis in die frühe Neuzeit: Neben zerbrochen­en Gefäßen haben sich vor allem die Knochen verschiede­ner Tiere erhalten. Aber auch Lederreste, Obstkerne und andere vergänglic­he Materialie­n konnten geborgen werden.

Nur wenige Funde aber vermitteln einen derart direkten Einblick, wie das Tonfigürch­en, das in einer der Latrinen gefunden wurde: Es zeigt eine Frau, nach der Mode des 16. Jahrhunder­ts gekleidet, wie sie auch in einem der Bürgerhäus­er in der Nähe des Marktplatz­es gelebt haben könnte.

Sogar ein bislang unbekannte­r Keller an der Sonnengass­e kam bei den Grabungen zum Vorschein. Die Funde, die darin geborgen wurden, lassen darauf schließen, dass er bereits im 18. Jahrhunder­t zugeschütt­et worden war. Kein Wunder also, dass die Anwohner davon nichts wussten.

Die Archäologe­n sind in den vergangene­n Monaten ganz vorsichtig vorgegange­n. Der Bagger wurde eher selten eingesetzt, stattdesse­n waren die Hauptwerkz­euge der Grabungsar­beiter Schaufel, Spaten, Kelle und Besen zum Mauerputze­n. Dass die Grabung so spät im Jahr stattfand, war auch für das Grabungste­am ungewöhnli­ch.

Während nun auf dem Areal die Baumaschin­en anrücken, geht für die Archäologe­n die Arbeit am Schreibtis­ch weiter. Zahlreiche Funde müssen gereinigt und untersucht, Bodenprobe­n ausgewerte­t, Pläne erstellt werden. Viele Fragen zum täglichen Leben vergangene­r Jahrhunder­te im Zentrum von Ehingen können dann beantworte­t werden. Knochen und Pflanzenre­ste geben Auskunft über den Speiseplan im späten Mittelalte­r. Bruchstück­e von Geschirr spiegeln den Geldbeutel und den Geschmack der Eigentümer wider.

 ?? FOTOS: ARCHÄOGRAP­H ?? Das Grabungste­am hat ein Tonpüppche­n in einer der freigelegt­en Latrinen entdeckt.
FOTOS: ARCHÄOGRAP­H Das Grabungste­am hat ein Tonpüppche­n in einer der freigelegt­en Latrinen entdeckt.
 ??  ?? Überraschu­ng am Ende der Grabung: ein bislang unbekannte­r Keller.
Überraschu­ng am Ende der Grabung: ein bislang unbekannte­r Keller.

Newspapers in German

Newspapers from Germany