Naturjuwel im Kriegsgebiet
Der Sutjeska-Nationalpark in Bosnien hält noch einen Dornröschenschlaf
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TJENTISTE (dpa) - Der Sutjeska-Nationalpark in Bosnien und Herzegowina ist ein Naturjuwel. Dort erwartet Besucher einer der letzten Urwälder Europas. Nur ist der Park in Deutschland so gut wie unbekannt. Ein Fernwanderweg könnte das ändern – irgendwann.
Schroffe Karstkämme verlieren sich in der Ferne, dicht bewaldete Täler durchschneiden karge Hochebenen. Vom Gipfel des Maglic bietet sich ein wildromantisches Panorama. Die sanften Hänge auf der Nordseite des Berges sind von Enzianen, Hahnenfüßen und Strahlensamen überzogen. Einige Hundert Meter tiefer schimmert der Trnovacko-See in karibischen Farben. Trotzdem ist der älteste Nationalpark in Bosnien und Herzegowina praktisch menschenleer.
Der Sutjeska-Nationalpark liegt im Südosten des Balkanlandes an der Grenze zu Montenegro. Hier kämpften Titos Partisanen einst gegen die Wehrmacht. Später durchstreifte der Langzeitherrscher Jugoslawiens die Wälder zu Erholungszwecken. Doch der Bosnienkrieg in den 1990er-Jahren zerstörte den Tourismus im Land. Noch heute, mehr als 20 Jahre danach, liegt der Nationalpark im Dämmerschlaf.
Ausgezeichneter Wanderweg
Der Amerikaner Tim Clancy will das ändern. Er kam während des Krieges mit einer Hilfsorganisation nach Bosnien, blieb, gründete eine Firma für Ökotourismus und hatte eine Idee: die Via Dinarica, ein Fernwanderwegnetz von Slowenien bis nach Albanien. Die Route wurde 2010 ins Leben gerufen und vier Jahre später vom renommierten „Outside Magazine“als bester neuer Trail der Welt ausgezeichnet.
Clancy war es auch, der die Organisation Terra Dinarica gründete und den US-Botschafter in Bosnien von einer Finanzierung überzeugte. Durch das Land führen rund 350 Kilometer des Trails, auch durch den Sutjeska-Park.
Die Tour auf den Maglic, mit 2386 Metern höchster Berg des Landes, ist ein einsames Vergnügen. Der ausgesetzte Steig durch die Westwand zum Gipfel erfordert Schwindelfreiheit und wird darum ohnehin nur selten begangen. Vom höchsten Punkt führt ein Pfad über Wiesen und Hänge hinab zum TrnovackoSee, der schon in Montenegro liegt. Von hier geht es zurück zum Aussichtspunkt Prijevor, wo die Tour begann. Dort steht eine kleine Hütte, in der Touristen nach einer Voranmeldung bei der Parkverwaltung übernachten können: Alte Mauern tragen ein neues Dach, in der Mitte des Raums stehen eine Spüle mit kaltem Wasser und ein Herd, unter dem Fenster eine Sitzecke, ein Schrank, zwei Doppelbetten. Bewirtung gibt es nicht, aber Wanderführer Srdan wärmt eine Konserve auf.
Srdan spricht wie viele Guides im Park kaum ein Wort Englisch. Vertrauen zum Gast aus Deutschland wird hergestellt über das gegenseitige Zeigen von Familienfotos, zwei Tassen Kaffee und einen Schluck Schnaps. Draußen schickt die Abendsonne goldene Strahlen über das Land, Gräser tanzen im Wind, Bienen summen durch die warme Luft. Eine spartanische Idylle.
Ideen gibt es genügend
Die mangelnde Infrastruktur ist derzeit das größte Hindernis für mehr Touristen im Nationalpark. Im Hauptort Tjentiste im Sutjeska-Tal gibt es das „Hotel Mladost“und einen Campingplatz, mehr nicht. Der Parkdirektor von Sutjeska, Dejan Pavlovic, ist eigentlich Radiologe. Mit jährlich umgerechnet 562 000 Euro von der Regierung und privaten Spenden hat er es als erster Direktor überhaupt geschafft, dass der Park Gewinn macht.
Wenn Tim Clancy durch den Nationalpark fährt, sieht er überall Möglichkeiten. Themenwege könnte man anlegen, einen „Partisan’s Path“oder „Tito’s Trail“. Doch alles kommt nur ganz langsam voran. „Sie liegen zehn Jahre hinter unseren Ideen zurück.“Sie, das sind die korrupten Behörden. Trotzdem ist Clancy optimistisch. Bosnien mit seinem Sutjeska-Park könne das Vorzeigeland der Via Dinarica werden. „Ich bin jetzt 25 Jahre im Land und habe noch nie ein Projekt gesehen, für das es einen so großen Konsens gab“, sagt er. „Jeder mag die Idee.“Unter Globetrottern gilt Bosnien und Herzegowina schon als kleines Trendziel. In den vergangenen vier bis fünf Jahren sind im Land viele Tourismusagenturen entstanden.
Eine lohnende Wanderung führt aus dem Tal zum Bergsee Donje Barre auf etwa 1500 Meter. Oben auf dem Plateau stehen die blühenden Bergwiesen hüfthoch. Auch die Insektendichte ist gefühlt deutlich höher als im Allgäu oder in Tirol. Gänzlich unberührt von Menschenhand liegt Perucica dar, einer der letzten Urwälder Europas, der sich nördlich des Maglic erstreckt. Ein Pfad führt von einer Talseite auf die andere. Die Durchquerung des Waldes ist nur mit einem Führer gestattet.
Geschichtsträchtiges Land
Die Einheimischen schätzen den Nationalpark nicht so sehr für die Natur, sondern für seine Geschichte. Im Tal erinnert ein Denkmal an die Schlacht an der Sutjeska im Zweiten Weltkrieg. Das deutsche Heer wollte die jugoslawischen Partisanen vernichten und Tito gefangen nehmen. Das misslang. Das „Tjentiste War Memorial“S ist für die Menschen in Bosnien und Herzegowina ein wichtiges Symbol. So sind es derzeit vor allem Menschen vom Balkan, die Sutjeska besuchen. Um mehr Touristen aus Westeuropa anzulocken, soll ein weiterer Campingplatz entstehen. Wichtiger noch könnte der Bau eines zweiten Hotels sein, das weniger an eine Jugendherberge erinnert als das „Mladost“. Man sucht noch einen Investor. Das ehemals beste Haus am Platz wurde im Bosnienkrieg von Freischärlern geplündert. Die Ruine steht noch.
Weitere Informationen: Sutjeska Nationalpark, Foca, Tjentiste, Tel.: 00387 58 233 118, E-Mail: npsutjeskafoca@gmail.com, Internet: ttp://npsutjeska.info