Bayern als Vorbild für Organspende
Organspende-Experten in Kliniken sollen mehr Zeit für ihre Aufgaben bekommen
STUTTGART (tja) - 1100 Menschen in Baden-Württemberg warten auf eine lebensrettende Organspende, in Bayern sind es über 1400. Seit dem Skandal von 2012 werden aber in Deutschland immer weniger Organe gespendet. Neue Regeln sollen das Vertrauen der Patienten ins System stärken. Baden-Württembergs Ärzte und Patienten wünschen sich ein Modell wie in Bayern. ●
STUTTGART - Ärzte in baden-württembergischen Kliniken sollen mehr Zeit bekommen, um sich um Organspenden zu kümmern. Doch aus Sicht der Mediziner reichen die Pläne nicht aus. Sie blicken neidisch nach Bayern.
In Deutschland warten mehr als 9700 Menschen auf ein neues Herz, eine neue Niere oder andere Organe. 2017 wurden weniger als 800 Organe gespendet, 1500 weniger als 2010. Wie sich der Trend entwickelt, wird die Deutsche Stiftung Organspende (DSO) am kommenden Dienstag veröffentlichen. Die Zahl sinkt seit Jahren. Auslöser war ein Skandal 2012. Damals wurde bekannt, dass Ärzte mehrerer Kliniken eigene Patienten bei der Organvergabe bevorzugten. Die Politik reagierte und veränderte die entsprechenden Gesetze. Eines davon setzt nun auch Baden-Württemberg für den Südwesten um. Kritiker bemängeln jedoch, eine Kernfrage, die Kostenverteilung, bleibe ungelöst.
Jedes Krankenhaus, das eine Intensivstation hat, braucht ihn: den Transplantationsbeauftragten. Er soll das Vertrauen in die Organspende wieder stärken, Manipulationen verhindern und Abläufe so organisieren, dass Patienten, die dringend ein Organ brauchen, dieses wenn möglich bekommen.
Bayern als Vorbild
Ärzte oder Pflegepersonal können den verantwortungsvollen Job übernehmen. Sie beraten Kollegen, sind bei den schwierigen Gesprächen mit Angehörigen dabei. Außerdem melden sie Spenderorgane der Deutschen Stiftung Organspenden (DSO). Diese prüft, welche Organe sich für Empfänger eignen und wer auf der Warteliste oben steht.
Bislang leisten die Beauftragten diese Arbeit in der Regel zusätzlich. „Die zahlreichen Aufgaben sind neben der normalen ärztlichen Tätigkeit nicht zu erfüllen“, sagt Dr. Michael Lücking, Transplantationsbeauftragter am Uniklinikum Freiburg. Ein neues Gesetz sieht deshalb vor, die Rahmenbedingungen für die Beauftragten genauer zu definieren. Wie, dürfen die Länder entscheiden.
Bayern hat das bereits getan. Dort gilt seit 2017 eine neue Regel. Sie sieht vor, dass Transplantationsbeauftragte für die Aufgabe ganz oder teilweise von anderen Pflichten freigestellt werden. Pro 100 Betten auf einer Intensivstation muss eine Vollzeitstelle geschaffen werden. Sowohl die Deutsche Stiftung Organspende als auch Patientenverbände loben dies als vorbildlich. Nur so sei gewährleistet, dass die Mediziner oder Pflegekräfte sich der Aufgabe ausreichend widmen können.
Kritik von den Kliniken
Doch es gibt ein Problem: Die Krankenkassen zahlen zwar 18 Millionen Euro an alle 1200 Entnahmekliniken in Deutschland. Diese Summe reicht aber nicht aus, um die in Bayern praktizierten Freistellungen der Ärzte zu ermöglichen. „Die Kliniken bleiben auf den Kosten sitzen. Das sind je nach Krankenhaus fünfstellige Summen. Das klingt nicht viel, aber der Mechanismus ist leider zu oft derselbe“, sagt Eduard Fuchshuber von der bayerischen Krankenhausgesellschaft. Die Politik gebe den Kliniken Pflichten auf, doch das Geld reiche nicht, um die anfallenden Kosten zu decken.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angekündigt, Regelungen für die Zahlung der Transplantationsbeauftragten zu erlassen. Doch der Bundesverband der Organtransplantierten warnt: „Für Patienten auf der Warteliste und ihre Familien wäre es fatal, mit einer konkreten Regelung zu warten.“
Baden-Württemberg will die bayerischen Regeln nicht anwenden. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hält wenig davon, Kliniken Aufgaben aufzubürden, ohne dass die Finanzierung geklärt ist. Schließlich sei man auf die Kooperation der Kliniken angewiesen, um eine Kultur der Organspende im Land zu etablieren. Was die Krankenkassen zahlen müssen, regelt der Bund mit Kassen, Ärzten, Patientenvertretern und anderen.
Lucha hat aber einen Kompromiss gefunden. Künftig müssen Kliniken das Geld, das sie von den Krankenkassen für die Transplantationsbeauftragten bekommen, für deren Arbeit investieren. Das sollten sie schon jetzt tun, es geschieht aber oft nicht. Der Freiburger Mediziner Lücking hält das für einen Teilerfolg: „Wenn dieser Satz so drinsteht, freut mich das sehr. Wenn Baden-Württemberg schon das bayerische Modell nicht einführen will, wird zumindest sichergestellt, dass das Geld, welches für die Transplantationsbeauftragten vorgesehen ist, auch in deren Freistellung und Fortbildung fließt.“
Baden-Württembergs Krankenhäuser sind nicht begeistert. Ihr Verbandsvertreter Matthias Einwag bezweifelt, dass Transplantationsbeauftragte dazu beitragen, mehr Menschen von einer Organspende zu überzeugen. Es gebe keinen Nachweis dafür. Die Krankenkassen TK und AOK halten dagegen die Pläne für gut und versichern, Mehrkosten tragen zu wollen. „Damit keine Menschen mehr auf der Warteliste sterben, braucht das System wieder mehr Vertrauen, Transparenz und vor allem Botschafter, die sich in den Kliniken dafür einsetzen.“Genau das sollen die Transplantationsbeauftragten sein.