Seehofer warnt die SPD
CSU-Chef droht erneut mit Abweisungen an der Grenze
BERLIN (dpa/her) - Nach wochenlangem Streit über die Asylpolitik hat Bundesinnenminister Horst Seehofer die Koalitionspartner gewarnt, seine Pläne zu hintertreiben. „Es wäre keine gute Strategie, darauf zu setzen, dass es keine bilateralen Vereinbarungen gibt“, sagte der CSU-Chef am Freitag dem „Spiegel“. „Dann müssten wir darauf zurückgreifen, direkt an der Grenze abzuweisen.“SPD-Vize Ralf Stegner hatte zuvor bezweifelt, dass der von Union und SPD vereinbarte Kompromiss umgesetzt wird. Die für die Transferverfahren nötigen Abkommen mit Italien und Österreich über die Rückführung von Geflüchteten innerhalb von 48 Stunden würden nicht zustande kommen. Dem widersprach Unionsfraktionschef Volker Kauder. Er sagte zur „Schwäbischen Zeitung“, er sei von einem Abkommen mit Griechenland überzeugt. Auch mit Italien sei eine Einigung möglich, „auch wenn das schwierig wird“.
Die Koalition aus Union und SPD hatte sich am Donnerstagabend auf das von Stegner nun kritisierte Verfahren verständigt. ●
BERLIN - In der Rekordzeit von einer Stunde hat sich die Große Koalition am Donnerstagabend beim Asylpaket geeinigt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) musste Abstriche hinnehmen: Die neuen Transitzentren sind vom Tisch, stattdessen sollen die Flüchtlinge in bereits bestehenden Einrichtungen überprüft werden. Trotzdem behauptete Seehofer, es sei „alles von A bis Z so, wie man sich das als zuständiger Minister wünscht“.
Die SPD wiederum zeigte sich zufrieden, dass sie das Versprechen errungen hat, ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. „Gewonnen hat niemand“, sagte trotzdem SPD-Vize Manuela Schwesig, dafür habe der lange Streit der Regierung zu sehr geschadet.
„Für die fünf Leute“
Besonders die von der CSU geforderten Transitzentren stießen auf heftige Gegenwehr in der SPD. Unterschieden wird zwischen in anderen EU-Ländern lediglich registrierten Flüchtlingen und jenen, die schon einen Asylantrag gestellt haben. Flüchtlinge, die in einem anderen EU-Land schon einen Asylantrag gestellt haben, sollen jetzt innerhalb von 48 Stunden zurückgewiesen werden. Deren Zahl soll allerdings sehr gering sein. Man habe für „die fünf Leute, um die es am Tag geht“, so lästerte SPD-Finanzminister Olaf Scholz, eine pragmatische Lösung gefunden. Sie sollen nun in bestehende Einrichtungen in Grenznähe, oder – wo dies nicht möglich ist – in den Transitbereich des Flughafens München gebracht werden. „Das hat mit Transitzentren, wie die Union sich das vorgestellt hat, überhaupt nichts zu tun,“sagt SPD-Vize Manuela Schwesig. Und sogar Juso-Chef Kevin Kühnert ist froh, dass das Schlimmste fürs Erste verhindert sei. Die in anderen EU-Mitgliedsstaaten lediglich registrierten Flüchtlinge, deren Zahl allein von Januar bis Juni dieses Jahres in Deutschland bei 18 000 liegt, sollen nun beschleunigte Verfahren in den noch einzurichtenden Ankerzentren bekommen.
Da die Dublin-Rückführungen in andere EU-Staaten bislang aber nur in rund 15 Prozent der Fälle gelängen, wolle man mit verschiedenen EUMitgliedsstaaten Verwaltungsabkommen abschließen. Auch dies gestaltet sich schwierig, wie Horst Seehofers Besuch am Donnerstag in Wien zeigte. Nach der Einigung betonten viele SPD-Politiker, dass ihre Partei der stabile Anker der Regierung sei. Und Schwesig mahnte sogar noch einmal den Koalitionspartner: „Ich erwarte von Seehofer und Merkel, dass diese Eskapaden jetzt eingestellt werden.“
Fachkräfte erwünscht
Für die baden-württembergische SPD-Landeschefin Leni Breymaier ist es ein gutes Zeichen, dass nun ein Einwanderungsgesetz kommen soll. Der Wunsch nach einer Zuwanderungsmöglichkeit für Fachkräfte wird von der Wirtschaft unterstützt.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trat nach dem Kompromiss nicht mehr vor die Kameras. Doch das Interesse richtete sich ohnehin auf CSU-Chef Seehofer, der Änderungen seiner Pläne hinnehmen musste. Der Sprecher der Parteilinken in der SPD-Fraktion, Matthias Miersch, spottete: „Der greise bayerische Löwe brüllte ein letztes Mal und verkroch sich dann in seiner Höhle.“
Unterdessen hat der Bundesrat am Freitag dem Gesetz zum Familiennachzug zugestimmt, das nun zum 1. August in Kraft treten kann. Demnach dürfen pro Monat 1000 Flüchtlinge zu ihren Angehörigen kommen, die Auswahl soll nach humanitären Gründen geschehen. Betroffen sind insgesamt etwa 200 000 syrische Flüchtlinge, die sich mit subsidiärem Schutzstatus hier aufhalten.