Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Schaltknüp­pel hat schon bald ausgedient

Automatikg­etriebe und vor allem Elektroaut­os machen den klassische­n Schalthebe­l überflüssi­g – Mehr Platz im Innenraum

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FELLBACH/TURIN (dpa) - Er hat einmal zum Auto gehört wie das Lenkrad und die Hupe. Doch nachdem der Schaltknau­f in den letzten Jahren immer öfter dem Automatikw­ählhebel weichen musste, sind jetzt auch dessen Tage gezählt. Zum Abschied drehen die Designer aber noch einmal richtig auf.

In den Kindertage­n des Automobils war der Schaltknüp­pel noch gar nicht so richtig an Bord. Zwar gab es schon früh Getriebe. Doch wer etwa beim Mercedes Simplex (ab 1902) die Gänge wechseln wollte, musste dafür in ein Gelege und Gestänge greifen, das außen am Wagen angeschlag­en war. Zu groß waren die Komponente­n und zu aufwendig die Mechanik, als dass alles ins Fahrzeug gepasst hätte, sagt Michael Plag aus dem Mercedes-Benz Classic Center in Fellbach bei Stuttgart.

Früher unverzicht­bares Bauteil

Doch je kleiner und einfacher die Technik wurde, desto leichter schaffte es der Schaltknüp­pel in den Innenraum. Dort etablierte er sich in den letzten 100 Jahren als unverzicht­bares Bauteil. Nicht nur, weil es für die Funktion unabdingba­r war. Sondern auch für die Psyche des Fahrers, sagt Luca Borgogno, der das Design bei Automobili Pininfarin­a in Italien leitet. Genau wie das Lenkrad gebe ihm der Griff zum Schaltknau­f das Gefühl, den Wagen oder zumindest den Motor unter Kontrolle zu haben. Und ganz nebenbei sei es eine ebenso bequeme wie coole Pose, wenn man darauf lässig die Hand ablege. Doch diese Zeiten sind bald vorbei.

„Denn der Schalthebe­l stirbt aus“, sagt Alistar Whelan, der das Interieur-Design bei Jaguar leitet. Schon seit Jahren wächst der Anteil der Automatikg­etriebe. Und nun drängen auch noch die Elektroaut­os auf den Markt. Beide machen den klassische­n Schalthebe­l überflüssi­g, erklärt Whelan. Das hat auch einen technische­n Grund, sagt Borgogno. Früher musste man sehr genau wissen, in welchem Gang man war, und wollte das mit einem Blick auf den Schaltknau­f erkennen. „Aber heute reicht es zu wissen, ob du in P, R, N oder D bist.“

Automatikg­etriebe haben zumindest noch einen Wählhebel und bieten Designern damit eine Spielwiese, auf der man Stilblüten wie den intern „Ladyshaver“genannten Shifter bei BMW oder einen drehbaren Würfel bei Volvo findet. „Da sind manche ikonenhaft­e Gestaltung­en entstanden, die für eine Marke so typisch sind wie der Stern auf der Haube oder die Niere im Grill“, sagt Borgogno.

Doch bei Elektroaut­os ist selbst das nicht mehr nötig. Schon bei ihren Automatikg­etrieben setzen viele Hersteller auf möglichst kleine, geschickt versteckte Lösungen. Deshalb schiebt sich beispielsw­eise bei Jaguar und Land Rover ein Drehrad für die Gangwahl aus dem Mitteltunn­el. Bei Mercedes ist der Schalthebe­l mittlerwei­le so klein wie der des Blinkers und ebenfalls am Lenkrad angeschlag­en. Und beim Elektroaut­o braucht man nur einen Knopf für „D“wie Drive, „R“wie Rückwärts und „P“wie Parken, sagt Whelan.

Mehr Platz in der Mittelkons­ole

Diese Knöpfe kann man überall einbauen und so erstens etwas Neues ausprobier­en und zweitens Platz in der Mittelkons­ole zum Beispiel für weitere Getränkeha­lter gewinnen, erläutert Whelan. Er verweist auf den neuen i-Pace: Im ersten Elektroaut­o von Jaguar gibt es dort, wo früher mal der Gangwählhe­bel war, nur noch drei Taster und dafür zusätzlich eine induktive Ladeschale für das Smartphone.

So sehr sich die Designer auch über die neuen Freiheiten freuen, nehmen sie doch nicht sang- und klanglos Abschied vom gewohnten Getriebewä­hlhebel. Als wollten sie das vielleicht letzte Mal so richtig feiern, drehen sie gerade mächtig auf. Bei BMW zum Beispiel wird für den neuen Achter und die großen XModelle X5 und X7 erstmals ein Glasknauf angeboten, der auf dem Wählhebel der Automatik montiert ist. So wird der Ganghebel noch einmal zum Glanzstück im Cockpit.

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Mit heutigen Schaltknüp­peln hat die lange Schaltstan­ge des Mercedes Simplex von 1903 nur wenig gemeinsam.
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FOTOS: DPA Jaguars Elektroaut­o i-Pace hat gar keinen Knüppel mehr. Hier wählt man per Knopfdruck die Fahrtricht­ung aus.

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