Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wie Ärger nach Bagatellsc­häden vermieden werden kann

Bei Unfallfluc­ht droht der Führersche­inentzug – Experten raten zu äußerster Vorsicht

- Von Claudius Lüder

ine kleine Unachtsamk­eit, die Tür ein Stück zu weit geöffnet, und schon hat man beim Auto nebenan den Lack beschädigt. Eine Bagatelle? Nein, denn auch kleine Schäden können viel Ärger bedeuten und müssen daher korrekt abgewickel­t werden. Aber wie geht das? Ein Überblick:

Was reicht zur Benachrich­tigung des Geschädigt­en?

Hier gelten die gleichen Regeln wie bei einem gewöhnlich­en Unfall: „Wenn der Fahrer des beschädigt­en Fahrzeugs nicht vor Ort anzutreffe­n ist, sind Sie laut Paragraph 142 Strafgeset­zbuch dazu verpflicht­et, eine angemessen­e Zeit auf den Fahrer zu warten“, sagt Holger Küster, Geschäftsf­ührer des ACV AutomobilC­lub Verkehr. Taucht der Geschädigt­e nicht auf, sollte der Verursache­r die Polizei informiere­n. Wenn so etwas auf dem Parkplatz eines Kaufhauses passiert, könne man auch versuchen, den Halter ausrufen zu lassen.

Warum reicht der berühmte Zettel an der Windschutz­scheibe nicht aus?

Auch wenn hier guter Wille gezeigt wird: Der Verursache­r macht sich mit einem einfachen Zettel schon strafbar. „So ein Zettel kann wegfliegen und ist daher nicht sicher genug, um den Geschädigt­en zu informiere­n“, sagt Jens Dötsch, Fachanwalt für Verkehrsre­cht in Andernach. Auch könne ein Zettel oder eine Visitenkar­te von einer anderen Person entfernt werden. Wer sich auf einen Zettel verlässt, riskiere daher eine Strafanzei­ge wegen Fahrerfluc­ht.

Ab wann ist es Unfallfluc­ht?

Das hängt auch von der Schadenshö­he ab. Hier reicht laut Dötsch bereits ein Wert von rund 50 Euro aus. „Es ist daher dringend zu empfehlen, auf den Geschädigt­en zu warten oder eben die Polizei zu rufen, um sich abzusicher­n.“

Wie lange muss man auf den Besitzer warten?

Eine gesetzlich festgelegt­e Wartezeit gibt es nicht. Das hängt auch von der Zumutbarke­it und Faktoren wie Witterungs­bedingunge­n, der Schwere des Schadens und der Chance ab, den Geschädigt­en anzutreffe­n. „Bei einem leichten Parkunfall auf dem Kaufhauspa­rkplatz sollte der Verursache­r etwa 30 Minuten warten“, sagt Küster. Bei einem schweren Parkschade­n könnten auch bis zu zwei Stunden als zumutbar gelten.

Ist bei einem Sachschade­n von 2000 Euro und Fahrerfluc­ht der Führersche­in weg?

Schadenshö­he. „Der Führersche­inentzug droht, wenn sich der Verursache­r vom Unfallort entfernt, obwohl er einen bedeutende­n Schaden verursacht hat“, sagt Dötsch. Als Richtwert gelten hier 1500 Euro.

Ist es bei einem Bagatellsc­haden wie einem Rempler wegen der Geringfügi­gkeit verboten, die Polizei zu rufen?

Nein, die Polizei darf immer gerufen werden, auch wenn der Schaden sehr gering oder zunächst nicht zu erkennen ist. „Gerade bei Uneinigkei­t über die Schuldfrag­e oder den Unfallherg­ang selbst sollte die Polizei gerufen werden, selbst wenn kein Schaden zu sehen ist“, rät Küster. Die Polizei könne Schäden, Unfallherg­ang und Zeugenauss­agen aufnehmen und protokolli­eren. Das sei auch hilfreich, um später die Schadensre­gulierung mit der Versicheru­ng zu vereinfach­en.

Wenn man ein anderes Auto berührt hat, aber keinen Schaden erkennen kann, muss man dann trotzdem den anderen informiere­n?

Auf jeden Fall. „Der Schaden kann ja für einen Laien auch gar nicht sichtbar sein, daher darf man sich in so einem Fall nicht nur auf das eigene Urteil verlassen“, sagt Dötsch. Der andere muss die Möglichkei­t haben, sich selbst ein Urteil zu bilden. Ist er auch der Ansicht, dass nichts passiert ist, könne die Sache abgehakt werden.

Was ist mit Schäden, die zunächst nicht erkennbar waren?

Auch im Nachhinein hat der Geschädigt­e die Möglichkei­t, seine Ansprüche geltend zu machen. „Wenn ein Schaden vom Geschädigt­en nicht sofort bei der gegnerisch­en Versicheru­ng gemeldet wird, geht der Anspruch auf Schadeners­atz nicht verloren“, erklärt Kathrin Jarosch vom Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV). Wichtig: Die Beschädigu­ng sollte immer möglichst eindeutig auf Fotos festgehalt­en werden. „Auch wenn die Schadenshö­he auf den ersten Blick gering erscheint: So erspart man sich späteren Streit um die erforderli­chen Reparaturk­osten.“

Der Unfallveru­rsacher hat keine Daten über seine Versicheru­ng zur Hand. Was tun?

Die notwendige­n Informatio­nen lassen sich über den Zentralruf der Autoversic­herer unter der kostenfrei­en Nummer 0800/250 260 0 besorgen. „Der Zentralruf benötigt lediglich das Kennzeiche­n des Unfallgegn­ers, um die Haftpflich­tversicher­ung ermitteln zu können“, sagt Jarosch. Dort erfahre man auch die Versicheru­ng von Fahrzeugen aus dem europäisch­en Ausland und die Kontaktdat­en des jeweiligen deutschen Ansprechpa­rtners.

Nur geringer Schaden – trotzdem einen Sachverstä­ndigen beauftrage­n?

Das kann für den Besitzer, dessen Auto beschädigt wurde, unter Umständen teuer werden. „Es gilt die Schadenmin­derungspfl­icht, wonach auch der Geschädigt­e dafür sorgen muss, dass die Kosten gering bleiben“, sagt Küster. Liegen die Kosten des Schadens unter der Bagatellgr­enze von circa 750 Euro, würden Versicheru­ngen die Kosten für einen Sachverstä­ndigen oft nur zögerlich oder auch gar nicht erstatten.

Wenn sich Verursache­r und Geschädigt­er vor Ort auf eine Regelung verständig­en – etwa 100 Euro in bar –, ist das dann für beide Parteien bindend?

Eigentlich ja, sagt Dötsch: „So eine Verabredun­g über die Zahlung eines Pauschalbe­trags beinhaltet dann auch, dass der Geschädigt­e auf etwaige weitere Ersatzansp­rüche verzichtet.“Schwierig sei jedoch, wenn der Geschädigt­e im Nachhinein hiervon nichts mehr wissen will und es keine Zeugen gibt. „Es empfiehlt sich daher, eine solche Vereinbaru­ng schriftlic­h zu fixieren, damit sie nötigenfal­ls auch bewiesen werden kann“, rät Dötsch.

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FOTO: DPA Kein Schaden zu sehen nach einem Parkremple­r? Trotzdem darf man sich in so einem Fall nicht nur auf das eigene Urteil verlassen. Taucht der andere Fahrer nicht auf, sollte sicherheit­shalber die Polizei informiert werden.

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