Auf einer Wellenlänge
Ein eigens zusammengestelltes Varieté-Programm erzählt im Edwin-Scharff-Haus Geschichten vom Fluss
●
NEU-ULM - Ein bunter Nationenmix auf der Bühne in Zeiten von grassierender Fremdenfeindlichkeit und Anti-Europa-Haltungen: Das Donau-Varieté auf der Suche nach der „perfekten Welle“, eingerichtet und moderiert vom Berliner Kabarettisten und Conférencier Karl-Heinz Helmschrot, hatte eine schon zu Beginn sehr deutlich vorgetragene Botschaft – die Begegnung. Jeder ist anders und: „Nur, wenn wir uns bewegen, können wir einander begegnen.“Das passt zum erklärten Motto des Donaufestes, das ja traditionell ein Raum für Begegnung ist. Große Überraschungen bot der Abend im Edwin-Scharff-Haus zwar nicht, doch gab es mit der rumänischen Sängerin Oana Cãtãlina Chitu, begleitet vom serbischen Akkordeonisten Dejan Jovanovic, erstklassige Musikbeiträge, die den Großteil des Abends live begleiteten.
Chitu füllte mühelos den großen Saal mit ihrer markanten, vibratofreien Stimme, die herrlich schwerblütig Volks- und Kunstlieder zu interpretieren verstand. Mehr als nur einmal konnte man den Eindruck gewinnen, dass diese fabelhafte Livemusik auch die eine oder andere Länge im Programm ganz mühelos überspielte. Dejan Jovanovic ist ebenfalls eine Klasse für sich, seine mitreißende Musikalität die halbe Miete. Bekannt wurde Jovanovic durch die Gruppe „Romença“, die er 2000 zusammen mit der rumänischen Sängerin Chitu gründete und mit der er seitdem seinen ganz eigenen „groovenden Kolo“entwickelte, den es auch im Scharff-Haus zu genießen gab.
Der Meister des flotten Akkordeonspiels mischt die Musiktraditionen Serbiens, Rumäniens und der Roma-Kultur mit den Klängen des „alten“Mitteleuropas, virtuos geht eine Bach-Chaconne über in filmmusikalisch anmutende Epik und springt zurück in melancholisch-intime Klangbilder, wenn etwa die Sandmalerin Svetlana Goncharenko ihre „Reise auf der Donau“inszeniert. Eine ganz eigenwillige Kunst ist das, die niemals langweilig wird: Mit flinken Fingern wird aus etwas Sandstaub mal das Ulmer Münster, mal der Prater oder die Budapester Stadtsilhouette – virtuos. Tatjana Konobas aus der Ukraine führte einen ebenso eigenwilligen wie gelungenen Gleichgewichtsakt auf drei quietschgrünen Gymnastikbällen auf. Das Trio „Trilogy“, ebenfalls aus der Ukraine, trat in Dreier- wie auch in Duoformation auf, an von der Decke hängenden Stoffbahnen und am Vertikalseil boten sie staunenswert der Schwerkraft die Stirn.
Als einer der wichtigen Anstifter der Renaissance des Varieté führte Helmschrot durchweg heiter durch den Abend. Herrlich launig sein Lichtbildvortrag seiner Reise an der Donau entlang, verschroben und etappenweise auch mal absichtlich den roten Faden verlierend die vom Wort „Oma“abgeleitete „Omage“an die Donau. „Oh Du – Donau“schien ein wenig mit dem Übereifer der (Neu-)Ulmer zu spielen, sich als führende Donau-Stadt zu inszenieren.
Unterm Strich war das Varieté ein gelungener Beitrag zum Festivalprogramm, allerdings waren die Bezüge zur Donau bisweilen etwas weit hergeholt, wenn sie nicht gar ganz verschwanden. Womöglich hätten sich die Künstler ohne das Korsett der „Donau-Welle“als durchgängiger Idee noch freier entfalten können. Doch dann wäre es eben auch kein Donau-Varieté gewesen.