Der Unbekannte und das verschwundene Auto
Zeuge berichtet von möglichem Drahtzieher im Angelsee-Mord - Tatfahrzeug bleibt in Albanien verschwunden
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ERBACH - Der Erbacher AngelseeMord geht in den achten Verhandlungstag vor der ersten großen Strafkammer des Ulmer Landgerichts. Erstmals fällt dabei etwas mehr Licht auf den „großen Unbekannten“, den mutmaßlichen Haupttäter, der sich selbst immer nur als „Don“oder „Doni“bezeichnet. Die Polizeivernehmung des 39-Jährigen Göppinger Angeklagten wird mit Spannung erwartet, besonders was sein mittlerweile verschwundenes Auto angeht.
„Er hat seinen Namen nie gemocht, weil er nicht wollte, dass die Leute denken, er sei Moslem. Deswegen hat er sich immer nur Doni genannt“, berichtete ein Düsseldorfer, der mehrfach mit dem immer noch flüchtigen mutmaßlichen Haupttäter in Kontakt war. Er habe ihn in Albanien kennengelernt, als loses Mitglied des Freundeskreises seines Bruders. Dieser habe später sogar mit „Doni“und dessen Freund ein Lokal für Sportwetten eröffnet. Er habe sich noch gewundert, weil das Lokal sich seiner Meinung nach nicht rechnen konnte, „Doni“jedoch immer sehr teure Kleidung trug und ein wohl aus England importiertes Auto fuhr. Von Drogenkonsum oder -handel habe er allerdings nie etwas mitbekommen.
Durch diese Bekanntschaft habe sich ergeben, dass der Zeuge in Düsseldorf das Hotelzimmer für den Mann gebucht und ihn mehrfach dort zum Kaffeetrinken getroffen habe. „Ich bin ein neugieriger Typ und habe ihn gefragt, was er macht, habe aber nie richtig viel über ihn erfahren“, so der Zeuge. Von seinem Bruder habe er gehört, dass „Doni“mit seiner Mutter in Albanien lebe und zwei Brüder habe – einen in den Niederlanden und einen in England. Letzterer solle im Gefängnis sein, warum, wisse er jedoch nicht.
Als die Polizei ihn erstmals vernehmen wollte, sei er gerade in Albanien im Urlaub gewesen. „Den Tag werde ich nie vergessen, meine Freundin hat mich angerufen und erzählt, dass die Polizei vor der Tür steht.“Er habe die Tat als sehr schrecklich empfunden. Als der Fall durch die Medien ging, sei er regelrecht schockiert gewesen, mit so einem Mann Kontakt gehabt zu haben. Dieser Schock war dem Zeugen teilweise deutlich anzumerken, mehrfach musste er während seiner Aussage schlucken und hatte einen Klos im Hals. Dennoch habe er sich später bei dem dritten Wettlokalbetreiber erkundigt – sein Bruder hatte sich mittlerweile mit beiden zerstritten und die gemeinsame Unternehmung verlassen –, ob er von der Sache wisse und ob er noch mit „Doni“in Kontakt stehe. Zudem habe er eine Visitenkarte mit den Kontaktdaten der Stuttgarter Polizei und dem Hinweis, sich dort zu melden, übergeben. Weiter habe er aber über die Sache weder mit seinem Bruder noch dem Mitinhaber des Wettlokals gesprochen.
Für Verteidiger Dirk Meinicke war diese Aussage unglaubwürdig. „Sie bekommen von so einer Sache mit, müssen hier in Deutschland zur Polizei und vor Gericht und da fragen Sie Ihren Bruder nicht, mit was für einem Typen er Sie da zusammengebracht hat?“Auch nach einer kurzen Episode „guter Bulle, böser Bulle“, in der die beiden Verteidiger scharf oder freundlich nachfragten, verneinte der Zeuge. Er erklärte sich allerdings bereitwillig dazu, die Adresse seines Bruders und mit Hilfe von Google Maps die von dessen ehemaligem Geschäftspartner aufzuschreiben. Meinicke machte danach in einer Erklärung aber nochmals deutlich, dass er dem Zeugen die Aussage auch weiterhin nicht glaube.
Harte Bandagen am achten Verhandlungstag
Gleich am Morgen hatte sich schon abgezeichnet, dass die Verteidigung für den achten Verhandlungstag harte Bandagen angelegt hatte. So wurde morgens eine Aussage eines Polizeibeamten bis zum Nachmittag verlegt. Und auch dann wurde zwischen Kammer, Staatsanwaltschaft und Verteidigung debattiert, zu welchen Punkten sich der Beamte äußern solle und zu welchen vorerst nicht. Mehrfach wurde an diesem Tag hart über Verfahrensverlauf, Ermittlungen und die Reihenfolge der Beweisaufnahme diskutiert.
So wurde beispielsweise das Protokoll der Vernehmung des angeklagten Göppingers durch die Polizei bis zum Mittwoch zurück gestellt. Da sich der Angeklagte weiter nicht äußert, werden diese Aussagen von den Prozessbeobachtern mit Spannung erwartet. Diese sollen zumindest ein bisschen Licht in mehrere Sachverhalte bringen.
Denn aus der Vernehmung des Polizeibeamten wurde klar, dass sich der Angeklagte rund eine Woche vor der Tat in Baumärkten aufgehalten habe und wohl das Verpackungsmaterial für die Leiche erst in Augenschein genommen hatte, bevor er es kurz vor der Tat kaufte. In seiner Erklärung zu Beginn des Verfahrens hatte er eingeräumt, das Material für einen Drogendeal besorgt zu haben. Zudem habe er zu spät realisiert, dass etwas anderes im Gange gewesen sei. Der lange Zeitraum zwischen den beiden Baumarktbesuchen lässt dies jedoch unglaubwürdig erscheinen. Auch mehrere Besuche an den Tagen an den Erbacher Seen wurden per GPS-Daten festgehalten.
Zudem war der Angeklagte wenige Tage nach der Tat mit seinem Fahrzeug, welches er dem mutmaßlichen Haupttäter zur Verfügung gestellt haben will, nach Albanien gefahren. Einen Tag später sei er dann mit dem Flugzeug zurückgeflogen. Noch am Morgen seiner Rückkehr meldete er die B-Klasse beim Landratsamt in Göppingen ab. Das Fahrzeug bleibt trotz der Ermittlungen der albanischen Behörden verschwunden.