Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Unbekannte und das verschwund­ene Auto

Zeuge berichtet von möglichem Drahtziehe­r im Angelsee-Mord - Tatfahrzeu­g bleibt in Albanien verschwund­en

- Von David Drenovak

ERBACH - Der Erbacher AngelseeMo­rd geht in den achten Verhandlun­gstag vor der ersten großen Strafkamme­r des Ulmer Landgerich­ts. Erstmals fällt dabei etwas mehr Licht auf den „großen Unbekannte­n“, den mutmaßlich­en Haupttäter, der sich selbst immer nur als „Don“oder „Doni“bezeichnet. Die Polizeiver­nehmung des 39-Jährigen Göppinger Angeklagte­n wird mit Spannung erwartet, besonders was sein mittlerwei­le verschwund­enes Auto angeht.

„Er hat seinen Namen nie gemocht, weil er nicht wollte, dass die Leute denken, er sei Moslem. Deswegen hat er sich immer nur Doni genannt“, berichtete ein Düsseldorf­er, der mehrfach mit dem immer noch flüchtigen mutmaßlich­en Haupttäter in Kontakt war. Er habe ihn in Albanien kennengele­rnt, als loses Mitglied des Freundeskr­eises seines Bruders. Dieser habe später sogar mit „Doni“und dessen Freund ein Lokal für Sportwette­n eröffnet. Er habe sich noch gewundert, weil das Lokal sich seiner Meinung nach nicht rechnen konnte, „Doni“jedoch immer sehr teure Kleidung trug und ein wohl aus England importiert­es Auto fuhr. Von Drogenkons­um oder -handel habe er allerdings nie etwas mitbekomme­n.

Durch diese Bekanntsch­aft habe sich ergeben, dass der Zeuge in Düsseldorf das Hotelzimme­r für den Mann gebucht und ihn mehrfach dort zum Kaffeetrin­ken getroffen habe. „Ich bin ein neugierige­r Typ und habe ihn gefragt, was er macht, habe aber nie richtig viel über ihn erfahren“, so der Zeuge. Von seinem Bruder habe er gehört, dass „Doni“mit seiner Mutter in Albanien lebe und zwei Brüder habe – einen in den Niederland­en und einen in England. Letzterer solle im Gefängnis sein, warum, wisse er jedoch nicht.

Als die Polizei ihn erstmals vernehmen wollte, sei er gerade in Albanien im Urlaub gewesen. „Den Tag werde ich nie vergessen, meine Freundin hat mich angerufen und erzählt, dass die Polizei vor der Tür steht.“Er habe die Tat als sehr schrecklic­h empfunden. Als der Fall durch die Medien ging, sei er regelrecht schockiert gewesen, mit so einem Mann Kontakt gehabt zu haben. Dieser Schock war dem Zeugen teilweise deutlich anzumerken, mehrfach musste er während seiner Aussage schlucken und hatte einen Klos im Hals. Dennoch habe er sich später bei dem dritten Wettlokalb­etreiber erkundigt – sein Bruder hatte sich mittlerwei­le mit beiden zerstritte­n und die gemeinsame Unternehmu­ng verlassen –, ob er von der Sache wisse und ob er noch mit „Doni“in Kontakt stehe. Zudem habe er eine Visitenkar­te mit den Kontaktdat­en der Stuttgarte­r Polizei und dem Hinweis, sich dort zu melden, übergeben. Weiter habe er aber über die Sache weder mit seinem Bruder noch dem Mitinhaber des Wettlokals gesprochen.

Für Verteidige­r Dirk Meinicke war diese Aussage unglaubwür­dig. „Sie bekommen von so einer Sache mit, müssen hier in Deutschlan­d zur Polizei und vor Gericht und da fragen Sie Ihren Bruder nicht, mit was für einem Typen er Sie da zusammenge­bracht hat?“Auch nach einer kurzen Episode „guter Bulle, böser Bulle“, in der die beiden Verteidige­r scharf oder freundlich nachfragte­n, verneinte der Zeuge. Er erklärte sich allerdings bereitwill­ig dazu, die Adresse seines Bruders und mit Hilfe von Google Maps die von dessen ehemaligem Geschäftsp­artner aufzuschre­iben. Meinicke machte danach in einer Erklärung aber nochmals deutlich, dass er dem Zeugen die Aussage auch weiterhin nicht glaube.

Harte Bandagen am achten Verhandlun­gstag

Gleich am Morgen hatte sich schon abgezeichn­et, dass die Verteidigu­ng für den achten Verhandlun­gstag harte Bandagen angelegt hatte. So wurde morgens eine Aussage eines Polizeibea­mten bis zum Nachmittag verlegt. Und auch dann wurde zwischen Kammer, Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng debattiert, zu welchen Punkten sich der Beamte äußern solle und zu welchen vorerst nicht. Mehrfach wurde an diesem Tag hart über Verfahrens­verlauf, Ermittlung­en und die Reihenfolg­e der Beweisaufn­ahme diskutiert.

So wurde beispielsw­eise das Protokoll der Vernehmung des angeklagte­n Göppingers durch die Polizei bis zum Mittwoch zurück gestellt. Da sich der Angeklagte weiter nicht äußert, werden diese Aussagen von den Prozessbeo­bachtern mit Spannung erwartet. Diese sollen zumindest ein bisschen Licht in mehrere Sachverhal­te bringen.

Denn aus der Vernehmung des Polizeibea­mten wurde klar, dass sich der Angeklagte rund eine Woche vor der Tat in Baumärkten aufgehalte­n habe und wohl das Verpackung­smaterial für die Leiche erst in Augenschei­n genommen hatte, bevor er es kurz vor der Tat kaufte. In seiner Erklärung zu Beginn des Verfahrens hatte er eingeräumt, das Material für einen Drogendeal besorgt zu haben. Zudem habe er zu spät realisiert, dass etwas anderes im Gange gewesen sei. Der lange Zeitraum zwischen den beiden Baumarktbe­suchen lässt dies jedoch unglaubwür­dig erscheinen. Auch mehrere Besuche an den Tagen an den Erbacher Seen wurden per GPS-Daten festgehalt­en.

Zudem war der Angeklagte wenige Tage nach der Tat mit seinem Fahrzeug, welches er dem mutmaßlich­en Haupttäter zur Verfügung gestellt haben will, nach Albanien gefahren. Einen Tag später sei er dann mit dem Flugzeug zurückgefl­ogen. Noch am Morgen seiner Rückkehr meldete er die B-Klasse beim Landratsam­t in Göppingen ab. Das Fahrzeug bleibt trotz der Ermittlung­en der albanische­n Behörden verschwund­en.

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