Der Kroate, der jetzt Serbe sein soll
Danijel Subasic hatte wegen der Herkunft seines Vaters oft Probleme – nun wird Kroatiens Elfmeterheld von verschiedenen Seiten vereinnahmt
MOSKAU (SID) - Die aufwühlende Vergangenheit holt Danijel Subasic beinahe täglich ein. Ein Teil davon ist für jeden sichtbar. Als der Torwart der kroatischen Fußball-Nationalmannschaft nach dem Sieg im Achtelfinale gegen Dänemark sein Trikot hochzog, kam ein T-Shirt zum Vorschein, auf das er das Foto von Hrvoje Custic hatte drucken lassen. Die Geschichte seines Freundes, der 2008 nach einem Abschlag des Keepers und einem Zweikampf gegen eine Wand prallte und an den Kopfverletzungen verstarb, brachte ihn zum Weinen und rührte die Fans.
Doch dies ist nur der eine Teil seiner Vergangenheit. Was vor dem Halbfinale der Kroaten am Mittwoch (20 Uhr/ZDF und Sky) gegen England in Serbien wieder hochkocht, ist weit weniger rührend als das Schicksal von Custic. Ausgerechnet jetzt reklamieren serbische Medien den Kroaten Subasic für sich. Grund dafür ist die serbische Herkunft des Vaters: Subasic ist also halber Serbe – und dies wiederum ein Nadelstich gegen die stolzen Kroaten, die seit dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens mit Serbien auf Kriegsfuß stehen.
Der Torwart würde „seine Wurzeln verleugnen“, um Repressalien in Kroatien zu entgehen, sagte beispielsweise Miodrag Linta, der Vorsitzende des serbischen Flüchtlingsverbandes, jüngst der serbischen Boulevardzeitung „Srpski telegraf“. Was wie Propaganda klingt, ist auch Propaganda. Für Subasic ist das nichts Neues. Seine serbischen Wurzeln haben ihn schon früher in schlimme Situationen gebracht.
2007 spielte Subasic für seinen Heimatklub NK Zadar und noch nicht für den Edelklub AS Monaco. Gerade einmal 22 Jahre alt war er und wollte seine damalige Freundin Antonija zur Frau nehmen. Bei deren Vater stieß diese Idee jedoch auf wenig Gegenliebe: „Ich werde dich umbringen, wenn du einen Serben heiratest“, soll Ante Bozza geschrien haben, bevor er seine Tochter schlug und anschließend verhaftet wurde.
Die Geschichte von Subasic, seit der WM 2014 Stammkeeper der Kroaten und am Samstag beim Triumph im Elfmeterschießen gegen Russland mehr als 30 Minuten trotz einer Oberschenkelverletzung auf dem Platz, ist umso trauriger, weil ihm selbst jeglicher nationalistischer Zwist immer fernlag. „Kroatien ist meine Heimat, Zadar ist meine Stadt. Ich bin in einer katholischen Kirche getauft worden“, sagte Subasic. Doch die Sache ist kompliziert.
Danijels Vater Jovo Subasic ist kein katholischer Kroate wie Danijel oder dessen Mutter, sein Vater, erklärt Danijel sehe sich „als Kroate, ist aber orthodoxen Glaubens“. Und das reicht manchmal schon, um in Kroatien als Serbe verschrien zu sein oder von Serben als einer der ihren beansprucht zu werden.
Danijels Identifikation mit seinem Geburtsland ist seit jeher ungebrochen, der Schlussmann liebt Kroatien und Kroatien liebt ihn. Nicht zuletzt wegen seiner Heldentaten in den beiden Elfmeterschießen während der K.o.-Runde der Weltmeisterschaft in Russland, als er gegen Dänemark (3:2 i.E.) und im Viertelfinale gegen den Gastgeber (4:3 i.E.) insgesamt vier Elfmeter hielt – und den WM-Rekord von Toni Schumacher einstellte. Der Deutsche benötigte die WMs 1982 und 1986, um den Rekord aufzustellen.
Gegen England will Subasic wieder jubeln. Und er wird dann auch wieder das Trikot nach oben ziehen, damit jeder sehen kann, wer ihm wirklich wichtig ist. Hrovje Custic. Sein Freund, für dessen Tod er sich lange verantwortlich fühlte. Und den er seinen „Engel“nennt.