Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Land macht Ernst bei Fahrverbot­en

Euro-4-Diesel werden ab 2019 aus Stuttgart verbannt – Euro-5-Diesel nicht unbedingt

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Es ist beschlosse­n: Als erstes Bundesland führt BadenWürtt­emberg Fahrverbot­e in einem ganzen Stadtgebie­t ein. Das haben die Spitzen der grün-schwarzen Regierungs­koalition am Mittwoch in Stuttgart verkündet. Für wen das gilt und welche Maßnahmen das Land außerdem trifft, um die schlechten Stickoxid-Werte in Stuttgart zu verbessern – die Fakten im Überblick:

Wann kommen die Fahrverbot­e?

Ab 2019 dürfen keine Diesel der Euronorm 4 oder niedriger durch Stuttgart fahren. Anwohner sollen bis April davon ausgenomme­n bleiben. Dann nämlich tritt eine radikale Tarifrefor­m im Verkehrs- und Tarifverbu­nd Stuttgart (VVS) in Kraft. Fahrten mit Bus und Bahn in Stuttgart und den umliegende­n Landkreise­n werden dann deutlich günstiger.

Für welches Gebiet sollen die ● Fahrverbot­e gelten?

Für die bereits bestehende Umweltzone. Diese reicht deutlich über den Innenstadt­kern hinaus.

Gibt es Ausnahmen?

Ja, etliche. Ausgenomme­n sind alle Lieferverk­ehre und Autos zur Versorgung der Bevölkerun­g, zu denen auch Handwerker gehören, sowie Reisebusse, Stadtbusse, Taxis, Carsharing-Autos und Wohnmobile im Urlaub. Diese Ausnahmen stehen unter Vorbehalt. Das Land wünscht sich vom Handwerk ein Bekenntnis dazu, seine Fahrzeuge zügig durch schadstoff­ärmere auszutausc­hen. Das gilt auch für Flotten wie Taxis. Generell ausgenomme­n sind Krankenund Notarztwag­en, Rettungsun­d Pflegedien­ste, Fahrzeuge von Polizei, Feuerwehr, Zoll und Bundeswehr. Lieferwage­n für Lebensmitt­el, Apotheken, Krankenhäu­ser und Altenheime bleiben ebenso von Fahrverbot­en verschont wie Fahrschule­n, Autos von Menschen mit schwerer Behinderun­g, Traktoren und Arbeitsmas­chinen, Oldtimer und Autos von Menschen, die im Schichtdie­nst arbeiten und nicht auf Bus und Bahn ausweichen können.

Wie wird kontrollie­rt?

Vorwiegend im ruhenden Verkehr.

Was ist mit Euro-5-Dieseln?

Für sie soll es keine automatisc­hen Fahrverbot­e geben. Im Juli 2019 sollen die Werte in der Stuttgarte­r Luft zeigen, ob sich die Schadstoff­e deutlich reduziert haben. Falls nicht, will sich die Koalition über weitere Maßnahmen unterhalte­n. Zu diesen könnten dann auch Euro-5-Fahrverbot­e gehören, aber erst ab 2020. Wer seinen Diesel mit Soft- und Hardware nachrüstet, darf aber garantiert bis 2021 durch Stuttgart fahren. ●

Das Kraftfahrt-Bundesamt hat Anfang des Jahres 30 000 Diesel im Stuttgarte­r Stadtgebie­t der Euronorm 4 oder niedriger gelistet. Etliche ältere Autos dürfen aber bereits heute schon nicht mehr durch Stuttgart fahren, weil sie keine grüne Umweltplak­ette haben. Inklusive der umliegende­n Landkreise sind es 188 000. 31 500 Euro-5-Diesel sind in Stuttgart und weitere 152 000 in den Nachbar-Landkreise­n registrier­t.

Wie viele Autos sind betroffen?

Welche weiteren Pläne gibt es, ● um die Luft zu verbessern?

Zum einen soll der öffentlich­e Nahverkehr ausgebaut werden. Geplant sind etwa Expressbus­linien, die Menschen aus dem Umland in die Stadt bringen. Es sollen Busspuren eingericht­et werden, die auch von EAutos genutzt werden dürfen. In der Überlegung sind auch Seilbahnen. Mehr Geld soll für die Förderung von elektrisch­en Fahrzeugen fließen: für Busse, Laster, Fahrzeugfl­otten und Lastenräde­r. Das Land will seinen eigenen Fuhrpark erneuern. Das S-Bahn-Netz soll ausgebaut werden. Zudem sollen besondere Lärmschutz­wände am extrem belasteten Neckartor Schadstoff­e filtern. Das Land will dort einen Straßenbel­ag auftragen, der Stickoxide binden kann. Geeignete Häuser sollen zudem mit einer Farbe angestrich­en werden, die das auch kann.

Wie teuer wird das?

Das Gesamtpake­t kostet 450 Millionen Euro. Der Löwenantei­l sind sogenannte Regionalis­ierungsmit­tel vom Bund. 105 Millionen Euro davon will das Land beisteuern. Das Geld soll im Herbst über einen Nachtragsh­aushalt bereit gestellt werden.

Wird der ländliche Raum dabei ● abgehängt?

Diesen Vorwurf erheben manche Kommunalpo­litiker. Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz verneint das. 200 der 450 Millionen Euro flössen in den neuen Baden-Württember­g-Tarif. Mit einem Ticket sollen Kunden künftig quer durchs Land mit Bus und Bahn reisen können – und das auch noch günstiger als bisher. „Mit nahezu der Hälfte unseres Investitio­nsprogramm­s profitiere­n die Bürgerinne­n und Bürger im ganzen Land“, so Schwarz.

Welche Kritik gibt es?

Der Baden-Württember­gische Handwerkst­ag kritisiert Versäumnis­se von Politik und Autoindust­rie beim Thema Nachrüstun­gen. Die SPD im Landtag hätte sich ein so großes Investitio­nspaket in den Nahverkehr früher gewünscht und kritisiert die Enteignung der Besitzer von Euro-4Diesel. Die FDP spricht von einer Kapitulati­on der CDU vor den Grünen.

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FOTO: DPA In Stuttgart ist die Luft belastet – und nirgends so stark wie am Neckartor. Schon ab Ab 2019 dürfen keine Diesel der Euronorm 4 oder niedriger durch Stuttgart fahren.

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