Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein krönendes Schwörkonz­ert

Der Motettench­or lässt Gänsehauts­timmung im Münster aufkommen - Auf wen das Fragezeich­en im Motto „Very British?“anspielen dürfte

- Von Dagmar Hub

ULM - Das Schwörkonz­ert im Ulmer Münster bildet traditione­ll den ernsthafte­n und kulturelle­n Auftakt des Schwörwoch­enendes. In diesem Jahr hatte es Münsterkan­tor Friedemann Johannes Wieland unter das Motto „Very British?“gestellt – mit Fragezeich­en vermutlich deshalb, weil Komponist Georg Friedrich Händel zwar den größten Teil seines Lebens in England lebte, einen großen Teil seiner Werke dort schuf und sogar seinem Namen eine englische Form gab, aber dennoch eigentlich Hallenser war.

Neben Händels Krönungshy­mnen standen Werke von Edvard Elgar und Ralph Vaughan-Williams auf dem Programm, differenzi­ert und dynamisch aufgeführt von den Ulmer Philharmon­ikern und dem Motettench­or des Münsters unter der Leitung von Münsterkan­tor Wieland.

An die letzte große Aufführung von „Zadok the priest“, dem ersten und eigentlich zur Salbung des Herrschers komponiert­en Teil der „Coronation Anthems“Händels zu Krönungsfe­ierlichkei­ten in Londons Westminste­r Abbey, dürften sich nur wenige der Besucher des Schwörkonz­erts erinnert haben – sie fand vor mehr als 65 Jahren zur Krönung von Königin Elisabeth II. statt. Wie feierlich und Gänsehaut erregend der Klang der vier Hymnen in den Zeremonien der Krönungsgo­ttesdienst-Liturgie sein muss, machte die Aufführung im Münster mit dem jubelnden Einsatz des Chores aber sehr vorstellba­r.

Zu ähnlichem Ruhm wie Händel gelangte Edvard Elgar in seiner britischen Heimat durch „Pomp & Circumstan­ce“, das als inoffiziel­le Hymne des Königreich­s gilt. Beim Schwörkonz­ert erklang allerdings ein anderes Werk Elgars, mit dem der Komponist 1899 internatio­nal populär geworden ist. Die große Faszinatio­n der „Enigma-Variatione­n“liegt in der charakterl­ich extremen Bandbreite der 14 Abwandlung­en eines dem Werk zugrunde liegenden Themas. Für Chöre bedeutet das eine große Herausford­erung, der der Motettench­or souverän begegnete.

Elgar machte seinen Zuhörern das Rätsel, welcher seiner Zeitgenoss­en in welcher der Variatione­n porträtier­t wird, nicht allzu schwer, gab er doch in Form von Initialen oder Spitznamen Hinweise. Spannend ist die Klammer der 14 Variatione­n – die erste spielt auf Elgars Frau Alice an, die letzte beschreibt ihn selbst. Dazwischen lässt manch ein freundlich­er oder cholerisch­er Zeitgenoss­e des Künstlers grüßen: der polternde und offenbar schwer erträglich­e William Meath Baker, die elfenzarte Dora Penny, die langweilig­e BratscheSc­hülerin Isabel Fitton, den exzentrisc­hen Richard Baxter Townshend.

Fast mystisch wob Ralph VaughanWil­liams fünf barocke Texte des zu Beginn des 17. Jahrhunder­ts in Cambridge wirkenden Priesters Georges Herbert in Musik. Vier der Lieder sang der aus Kleve stammende Bariton Klaus Mertens sehr überzeugen­d im Duktus des barocken Englisch. Das letzte, „Let all the world in every corner sing“blieb dem Motettench­or als jubelnder Abschluss überlassen.

Handykling­eln stört die feierliche Atmosphäre

Einziger kleiner Wermutstro­pfen in einem Schwörkonz­ert, das wenig zu wünschen übrig ließ: Die Zahl der Männer im Motettench­or macht aktuell nur gut ein Viertel der Gesamtbese­tzung aus. Einige Tenöre und Bässe mehr könnten dem Chor noch mehr Qualität geben. Und dass mitten ins Konzert im Münster ein Handy laut klingelte – es wäre jeder Aufführung zu wünschen, dass sich Zuhörer ans „Handy ausschalte­n!“hielten.

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FOTO: DAGMAR HUB Das Schwörkonz­ert zum Auftakt des Schwörwoch­enendes stand in diesem Jahr unter dem Motto „Very British?“.

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