Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Einzeltäte­r statt Terrorkomm­ando

Die islamistis­che Bedrohung ändert sich

- Von Anne-Beatrice Clasmann und Martina Herzog

BERLIN (dpa) - Die Bedrohung durch militante Islamisten in Deutschlan­d hat sich binnen eines Jahres verändert. Während die Sicherheit­sbehörden bis zum Sommer 2017 vor allem darauf fokussiert waren, die Rekrutieru­ng von Kämpfern für die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) zu unterbinde­n und vom IS nach Europa eingeschle­uste Terror-Kommandos zu entdecken, machen ihnen inzwischen Einzeltäte­r, kleine Salafisten­Zirkel und Rückkehrer aus dem ISGebiet zu schaffen.

Das liegt am wachsenden Fahndungsd­ruck, der die Extremiste­n zu einem noch versteckte­ren Handeln zwingt, aber auch an den Niederlage­n, die der IS im Irak und in Syrien erlitten hat. Der Zusammenbr­uch des Pseudo-Kalifats der Terrormili­z hat nach Einschätzu­ng von Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen aber nicht zu einem „Verschwind­en dschihadis­tischer Ideologie“geführt.

Seit Anfang 2017 wurden laut Verfassung­sschutz in fünf Fällen gefährlich­e Islamisten, die Anschläge vorbereite­n wollten, aus dem Verkehr gezogen. Sieben Männer nahm die Polizei in Zusammenha­ng mit diesen Verdachtsf­ällen fest. Vier von ihnen wurden später abgeschobe­n: nach Nigeria, Algerien und nach BosnienHer­zegowina.

Kaum noch Straßenmis­sion

Eine Zunahme beobachten die Sicherheit­sbehörden bei Salafisten aus dem Nordkaukas­us. Vor allem in Nordrhein-Westfalen sowie in Ostund Norddeutsc­hland haben sich tschetsche­nische Islamisten zusammenge­funden, die weitgehend unter sich bleiben.

Öffentlich sichtbare Straßenmis­sionierung von Salafisten gibt es kaum noch. Das ist wohl auch Folge von Ermittlung­en und Vereinsver­boten. Ähnliche Ursachen dürfte der vom Inlandsgeh­eimdienst beobachtet­e zunehmende Rückzug von Salafisten aus Moscheen in kleinere, private Zirkel haben. Einfacher wird die Aufgabe von Polizei und Verfassung­sschutz dadurch nicht. Dafür, wie man verhindern kann, dass Kinder aus Dschihadis­ten-Familien nach ihrer Rückkehr aus dem IS-Gebiet zu Terroriste­n heranwachs­en, hat noch niemand einen fertigen Plan. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) sieht hier auch eine Aufgabe für die Jugendämte­r.

Unter anderem im Ruhrgebiet, in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Offenbach, der Region um Bonn-Bad Godesberg gebe es islamistis­che „Hotspots“, sagt Maaßen. Er sei zwar froh, dass der Bundeshaus­halt für das laufende Jahr mehr Geld für den Sicherheit­sbereich vorsehe. „Meine Hoffnung ist, dass es in den kommenden Jahren auch weitergeht“, mahnt er aber. Schließlic­h habe sich die Sicherheit­slage „in den letzten Jahren nicht zum Besseren verändert“.

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