Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fehler öffentlich aufklären

- Von Katja Korf ●» k.korf@schwaebisc­he.de

Das Urteil gegen die Hauptangek­lagten ist gefallen, aber der Staufener Missbrauch­sfall ist keineswegs abgeschlos­sen. Da ist zum einen das Opfer. Der Junge wird sein Leben lang mit den Folgen dessen kämpfen, was Mutter und Stiefvater ihm angetan haben. Der jahrelange Missbrauch durch mehrere Männer und die Eltern erschütter­t, das Ausmaß mag singulär sein. Doch Studien und Umfragen in ganz Europa zeigen seit Jahren dasselbe Bild. Missbrauch und Gewalt in Familien sind zu weit verbreitet.

Forscher zitieren erschrecke­nde Zahlen. Fast jeder und jede Zehnte berichtet von sexuellem Missbrauch in der Kindheit, Misshandlu­ngen und Vernachläs­sigungen kommen noch häufiger vor. Die meisten Täter begehen ihre Verbrechen dort, wo die Kinder sich am sichersten fühlen sollten: in der Familie.

Gerade um möglichst viele Fälle aufzudecke­n und am besten zu vermeiden, müssen die beteiligte­n Behörden rasch aus Fehlern lernen. Sie haben einmal mehr eklatante Fehler begangen. Das Problem liegt im System, das zeigen ähnliche Fälle aus ganz Deutschlan­d.

In so sensiblen Bereichen wie dem Schutz eines Kindes vor den eigenen Eltern braucht es Standards. Es braucht einheitlic­he Regeln und strenge Kontrolle. Alle Beteiligte­n brauchen Fortbildun­gen. Die Behörden müssen sich laufend untereinan­der absprechen. Doch überall dort hapert es: In Baden-Württember­g überprüfte die Rechtsaufs­icht seit 2008 mehr als 500 Entscheidu­ngen der Jugendämte­r. Bemängelt wurde nur eine. Für den Schutz von Kindern etwa vor sexuellem Missbrauch haben Jugendämte­r bundesweit keine einheitlic­hen Standards. Während sich jeder Fachanwalt regelmäßig weiterbild­en muss, gibt es keine solche Pflicht für Familienri­chter.

Baden-Württember­g tut bereits einiges, um die Dinge zu verbessern. Doch den Arbeitsgru­ppen und Ankündigun­gen muss rasch vor allem eines folgen: Die interne Aufarbeitu­ng der Fehler muss öffentlich gemacht werden. Und es müssen die richtigen Konsequenz­en folgen. Das gebietet der Respekt vor allen Opfern.

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