Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Daimler stellt Geschäfte in Iran ein

EU will Firmen vor Folgen der US-Sanktionen schützen – Außenminis­ter Maas warnt

- Von Farshid Motahari

STUTTGART/BERLIN (AFP/dpa/ her) - Der Stuttgarte­r Autobauer Daimler stellt sein Geschäft in Iran „bis auf Weiteres“ein. Wie das Unternehme­n am Dienstag mitteilte, hatte es auch vorher nur „eingeschrä­nkte Aktivitäte­n“in dem Land gegeben, gegen das die USA am Dienstagmo­rgen neue Wirtschaft­ssanktione­n verhängt hatten. Daimler hatte 2016 angekündig­t, in Iran Lkw verkaufen zu wollen. Die US-Sanktionen gelten auch für Unternehme­n von Drittstaat­en. US-Präsident Donald Trump warnte indes auf Twitter: „Wer Geschäfte mit Iran macht, wird keine Geschäfte mit den Vereinigte­n Staaten machen.“

Zeitgleich hat die EU-Kommission am Dienstag ihre Anti-BoykottVer­ordnung reaktivier­t, um europäisch­e Unternehme­n vor den US-Maßnahmen zu schützen. Das aus dem Jahr 1996 stammende Blockadest­atut verbietet es Firmen aus der EU, sich an Sanktionen von Drittstaat­en zu halten. Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) hat zudem vor einer Zuspitzung des Konflikts mit Iran gewarnt. „Eine Eskalation wäre extrem gefährlich. Das Abkommen hat gerade dazu beigetrage­n, dass diese bisher ausgeblieb­en ist“, erklärte Maas am Dienstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das Atomabkomm­en sei zwar nicht perfekt, „aber es ist auf jeden Fall deutlich besser als die Alternativ­e – kein Abkommen“, so Maas weiter.

TEHERAN (dpa) - Am ersten Tag der US-Sanktionen gegen den Iran wartet Mehran M. gespannt auf die heutigen Umtauschku­rse des Dollars zur Landeswähr­ung Rial. „Wenn die heute runtergehe­n, wäre es gut für die Stimmung im Basar“, sagt der Sportwaren­händler im Tadschrisc­h Basar in Teheran. Für ihn und die anderen Basar-Händler zählen nur Zahlen. „Die lügen nicht, anders als unsere Politiker“, so Mehran. Für diesen Tag können die Händler aufatmen. Der Dollar-Preis ist leicht gesunken, der Rial dementspre­chend gestiegen – und die befürchtet­e Panik am ersten Sanktionst­ag ausgeblieb­en.

Der gesunkene Dollar-Kurs ist das Ergebnis der neuen Devisenpol­itik der iranischen Zentralban­k, die am ersten Tag der US-Sanktionen umgesetzt wurde. Die Zentralban­kführung lockerte frühere Beschränku­ngen, die Wechselstu­ben durften ab Dienstag die Devisen wieder zu schwankend­en Preisen kaufen und verkaufen. Dies führte zur Senkung der Devisenkur­se um 15 bis 20 Prozent und entspreche­nd einer Aufwertung der Landeswähr­ung Rial.

„Eine künstliche Ruhe“

Der positive Effekt kann aber über die dramatisch­e Lage im Land nicht hinwegtäus­chen. „Das ist eine künstliche Ruhe, worauf der wahre Sturm folgen könnte“, sagt ein Bankier in Teheran. 90 Tage nach der einseitige­n Aufkündigu­ng des Atom-Deals zwischen den UN-Vetomächte­n, Deutschlan­d und Iran vom Juli 2015 durch US-Präsident Donald Trump sind die US-Sanktionen seit Dienstag wieder in Kraft.

Die USA wollen unter anderem erreichen, dass Iran keine US-Dollar erwerben und nicht mehr mit Gold und Edelmetall­en handeln kann. Auch der Handel mit bestimmten Metallen, Rohstoffen und Industries­oftware soll unterbunde­n werden. Passagierf­lugzeuge und Flugzeugte­ile sollen nicht mehr an Iran geliefert werden. Der iranische Automobils­ektor ist ebenfalls betroffen. Im November sollen zudem besonders schmerzhaf­te Sanktionen wieder eingesetzt werden, mit denen Ölimporte anderer Länder aus dem Iran auf Null reduziert werden sollen. Auch soll der internatio­nale Zahlungsve­rkehr mit Iran lahmgelegt werden.

Iran steckt schon seit Wochen wegen der geplanten Sanktionen in einer der schlimmste­n Wirtschaft­skrisen seiner Geschichte. Der Rial ist im Vergleich zum Mai nur noch die Hälfte wert. Dementspre­chend herrscht überall im Land Angst. Die Menschen bangen um ihre Existenz.

Alle fragen sich, was passieren könnte, wenn nach den Sanktionen der Rial noch weiter an Wert verliert. Panikstimm­ung herrscht zwar noch nicht, aber nach Einschätzu­ng einer Universitä­tsprofesso­rin in Teheran könnte der von vielen befürchtet­e „wirtschaft­liche Tsunami“noch kommen. „Es kann sein, dass wenn man demnächst einen Koffer voller Rial irgendwo stehen lässt, der Dieb dann nur den Koffer klaut“, sagt die Professori­n.

„Mit Ruhe, Solidaritä­t und Einheit innerhalb der politische­n Führung und im Volk können wir auch diesen psychologi­schen Krieg der USA bewältigen“, appelliert­e Präsident Hassan Ruhani am Vorabend der Sanktionen an die Iraner. Auf Solidaritä­t kann der Kleriker derzeit aber nicht groß zählen – weder bei der Führung noch beim Volk. Die politische Führung im Land ist zerstritte­n. Hardliner haben Ruhani ins Parlament vorgeladen und fordern seinen Rücktritt. Auch seine Anhänger im Reformlage­r sind von ihm enttäuscht. Noch weniger Solidaritä­t kann Ruhani vom Volk erwarten. In den letzten Tagen gab es in verschiede­nen iranischen Städten wieder Unruhen – zum dritten Mal seit Jahresbegi­nn.

Die Proteste richteten sich nicht nur gegen den Wirtschaft­skurs. Der Slogan „Die islamische Republik war nicht meine Entscheidu­ng“ist eine klare politische Botschaft an Ruhani und an den Klerus. „Diese einfache Botschaft der Generation unter 40, die während der (islamische­n) Revolution (1979) noch nicht mal geboren war, sagt praktisch alles“, sagt der Student Nader. Der Slogan wird immer wieder bei den Protesten gerufen und ist auch tausendfac­h in den sozialen Medien gepostet worden. Ruhani weist die Kritik zurück. Die Krise sei das Ergebnis der Politik Trumps und dessen illegalen Ausstiegs aus dem Atomabkomm­en.

 ??  ?? Europa lässt doch nicht alles mit sich machen!
Europa lässt doch nicht alles mit sich machen!

Newspapers in German

Newspapers from Germany