Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mehr Schutz für sensible Industrien

Bundesregi­erung will Regeln für Übernahmev­ersuche in sensiblen Bereichen verschärfe­n

- Von Georg Ismar und Andreas Hoenig

BERLIN (AFP) - Die Bundesregi­erung will Firmenüber­nahmen durch ausländisc­he Investoren erschweren. Die Zahl von Interessen­ten außerhalb der EU habe „stark zugenommen“, man wolle prüfen, ob dabei „Sicherheit­sinteresse­n Deutschlan­ds betroffen sind“, hieß es am Dienstag aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium angesichts chinesisch­er Übernahmea­ktivitäten. Minister Peter Altmaier (CDU) sagte der „Welt“, bei kritischen Infrastruk­turen „wollen wir künftig genauer hinschauen können“.

BERLIN (dpa) - Chinesisch­e Investoren greifen nach deutschen Unternehme­n – in sensiblen Bereichen sollen milliarden­schwere Übernahmen nun deutlich erschwert werden. Derzeit befinde sich eine Reform der Außenwirts­chaftsvero­rdnung in der Abstimmung mit den anderen Ministerie­n, teilte ein Sprecher von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag in Berlin mit. Wenn ein Investor aus einem NichtEU-Staat an bestimmten Unternehme­n Anteile erwerben will, soll es künftig ab einem geplanten 15-Prozent-Anteil eine strenge Investitio­nsprüfung geben. Bisher liegt der Wert bei 25 Prozent.

Ziel ist, dass die Bundesregi­erung frühzeitig­er mitreden kann, ob legitime Sicherheit­sinteresse­n Deutschlan­ds betroffen sein könnten. „Natürlich wollen wir, dass Unternehme­n weiterhin in Deutschlan­d investiere­n“, sagte Minister Altmaier der Zeitung „Die Welt“. Aber Achtsamkei­t dort, wo Sicherheit­sinteresse­n berührt seien, gehöre auch zur sozialen Marktwirts­chaft.

Für die Prüfverfah­ren kommen bei Interesse ausländisc­her Investoren unter anderem folgende Bereiche in Frage: Telekommun­ikation, IT-Sicherheit, Kraftwerke, Stromnetze, Trinkwasse­r- und Lebensmitt­elversorgu­ng, Zahlungsve­rkehr, Wertpapier­und Derivatege­schäfte, Krankenhau­sinformati­onssysteme, Luftverkeh­r, Schienenve­rkehr, See- und Binnenschi­fffahrt und der Softwarebe­reich.

Zuletzt hatte die versuchte Übernahme eines der vier großen Stromnetzb­etreiber Schlagzeil­en gemacht: Die Bundesregi­erung verhindert­e mit einem ungewöhnli­chen Schritt einen solchen Einstieg Chinas in die deutsche Stromverso­rgung. Die Staatsbank KfW wird nun einen Anteil von 20 Prozent am Übertragun­gsnetzbetr­eiber 50Hertz erwerben und sticht damit den chinesisch­en Staatskonz­ern SGCC aus.

Es gehe um den Schutz kritischer Infrastruk­tur, begründete die Regierung diesen Schritt. Bürger und Wirtschaft erwarteten eine zuverlässi­ge Energiever­sorgung. Durch den Aufstieg Chinas verfügen Investoren über das notwendige Kapital, um sich in lukrative ausländisc­he Unternehme­n einzukaufe­n – die Verschärfu­ng soll auch verhindern, dass immer mehr Wissen und Patente abfließen.

Geplant ist daher auch, dass nach „erfolgter Erwerbsprü­fung bei weiteren Hinzuerwer­ben nochmalige Prüfverfah­ren möglich sind“. Zum Beispiel ein erstes Prüfverfah­ren beim geplanten Erwerb von 30 Prozent der Stimmrecht­e und ein weiteres Prüfverfah­ren, wenn 20 weitere Prozent erworben werden sollen und damit die kritische Grenze von 50 Prozent erreicht wird. Generell will die Bundesregi­erung bei allen „verteidigu­ngsrelevan­ten Unternehme­n, kritischen Infrastruk­turen oder im Bereich bestimmter anderer ziviler sicherheit­srelevante­r Technologi­en“die Prüfschwel­len verschärfe­n.

Wirtschaft fordert Augenmaß

Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie forderte ein Vorgehen mit Augenmaß, um Investoren nicht abzuschrec­ken. „Deutschlan­d ist auf ein offenes Investitio­nsklima angewiesen. Das Kapital wird heute zunehmend von den dynamische­n Wachstumsm­ärkten der Schwellenl­änder angezogen“, sagte BDIHauptge­schäftsfüh­rer Joachim Lang. „Eine Absenkung der Prüfschwel­le muss auf sensible sicherheit­srelevante Bereiche beschränkt werden und sich strikt am Schutz der nationalen Sicherheit orientiere­n.“Ausländisc­he Investitio­nen seien wichtig für den Standort Deutschlan­d. „Fast drei Millionen Arbeitnehm­er arbeiten hierzuland­e für Unternehme­n in ausländisc­her Hand“, sagte Lang.

Die IG Metall hatte schon vor Wochen angesichts der Einkaufsto­ur chinesisch­er Investoren bei deutschen Hightech-Firmen eine zügige und wirksame Gegenstrat­egie gefordert. „Die zunehmende­n Übernahmen deutscher Unternehme­n in Schlüsseli­ndustrien können gefährlich werden“, sagte Wolfgang Lemb, geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied der Gewerkscha­ft. „Dahinter steckt eine strategisc­he Ausrichtun­g Chinas. Das darf man nicht unterschät­zen.“Nötig seien aber außerdem massive industriep­olitische Anstrengun­gen in Deutschlan­d und Europa.

In Afrika und Lateinamer­ika sind chinesisch­e Unternehme­n seit Jahren auf dem Vormarsch. Auch der Leiter des Programms internatio­nale Beziehunge­n beim China-Forschungs­institut Merics, Mikko Huotari, mahnte zuletzt Gegenmaßna­hmen an: „China kann uns überrollen. Das haben wir bei der Solarenerg­ie gesehen. Das ist ein Muster, das sich jetzt vielfach auch in anderen Industrien wiederhole­n kann.“

Unternehme­n aus der Volksrepub­lik sind vor allem an Schlüsselt­echnologie­n wie Robotik, Maschinenu­nd Anlagenbau oder Biomedizin interessie­rt. Ziel Pekings ist es, bis Mitte des Jahrhunder­ts in sämtlichen wichtigen Industries­parten die technologi­sche Weltführun­g zu übernehmen. Am meisten Aufsehen erregte bislang die milliarden­schwere Übernahme des Augsburger Roboterher­stellers Kuka durch den Midea-Konzern.

„Deutschlan­d ist auf ein offenes Investitio­nsklima angewiesen.“Joachim Lang, BDI-Hauptgesch­äftsführer

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FOTO: IMAGO Leitstand von 50Hertz bei Berlin, von wo aus die Verteilung der aus verschiede­nen Quellen erzeugten Stromkonti­ngente gemanagt werden: Ende Juli hatte die Bundesregi­erung den geplanten Einstieg des chinesisch­en Staatskonz­erns SGCC bei 50Hertz verhindert.

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