Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Grauzonen im Pflegebere­ich

Jeder zehnte Pflegehaus­halt wird von osteuropäi­schen Hilfskräft­en versorgt – Doch klare gesetzlich­e Regelungen gibt es dafür nicht

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Eine garantiert­e 24-Stunden-Pflege außerhalb vom Altersoder Pflegeheim wird in Deutschlan­d vor allem von osteuropäi­schen Pflegekräf­ten gewährleis­tet. Jeder zehnte Pflegehaus­halt beschäftig­t eine solche Kraft. Eine deutsch-polnische Wissenscha­ftseinrich­tung der Universitä­ten Cottbus und Breslau will Anfang 2019 dazu ein Faktenbuch liefern.

Bislang völlig ignoriert

Schon jetzt aber steht für Professor Lothar Knopp, den geschäftsf­ührenden Direktor des deutsch-polnischen Netzwerkes für öffentlich­es Recht, fest, dass die deutsche Politik etwas tun muss. „Anstatt gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, wird einfach weggeschau­t“, klagt er. Die Versorgung mit osteuropäi­schen Pflegekräf­ten sei „ein Markt, der sich seit langem entwickelt hat und von der deutschen Gesundheit­spolitik völlig ignoriert wird.“Knopp weiß – auch aus eigener Erfahrung –, dass für eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause nur der Weg über die ausländisc­hen Pflegehilf­en bleibe. Das Gros der Deutschen werde über Vermittlun­gsagenture­n versorgt oder über Anbieter, bei denen die Pflegehilf­en angestellt sind. War es am Anfang noch ein rein deutsch-polnischer Markt, so werden jetzt längst Pflegehilf­en auch aus Rumänien und Bulgarien gewonnen.

Knopp wollte die Anbieter in einer großen Studie über ihre Qualitätss­tandards und Arbeitsbed­ingungen befragten, doch nur ein Fünftel von 103 Pflegeanbi­etern antwortete überhaupt. Das Unternehme­n Promedica gab bereitwill­ig Auskunft. Es beschäftig­t 8000 Pflegehilf­en in Deutschlan­d. In der Regel sind es Frauen über 50, die deutsche Pflegefäll­e versorgen. Sie kommen sechs Wochen am Stück nach Deutschlan­d und verdienen hier nach Angaben des Unternehme­ns das Dreifache von dem, was sie zu Hause bekommen könnten.

Die Kosten für eine solche Hilfskraft liegen bei rund 2500 Euro, das ist das gleiche und oft sogar billiger als ein Platz in einem deutschen Altersheim. Zieht man das Pflegegeld für Stufe 3, den Zuschlag für Verhinderu­ngspflege und den Steuervort­eil ab, so blieben 1000 bis 1500 Euro für den Kunden selbst übrig. Die Betreuungs­kraft ist in der Regel 51 Jahre alt, ihr Kunde im Schnitt 82 Jahre.

Viele Pflegehilf­en sind illegal in Deutschlan­d und helfen unter der Hand. Dabei können Probleme auftreten: Wenn der Pflegehelf­er selbst krank wird oder der zu Pflegende stirbt, gibt es für sie keine Absicherun­g.

Seitens der deutschen Gesetzgebu­ng fehlen Standards und rechtliche Rahmenbedi­ngungen, sagt Lothar Knopp. Viele Anbieter nutzten daher die übergroße Nachfrage aus. Der Markt für 24-Stunden-Betreuung habe seine eigenen Gesetzmäßi­gkeiten entwickelt, es gebe Grauzonen zwischen Legalität und Illegalitä­t. Knopp empfiehlt als Vorbild Österreich, wo die Pflege auch aus Finanzmitt­eln eines Schwerbehi­ndertenfon­ds bestritten wird.

Benachteil­igte Ausländer

Zeitgleich veröffentl­ichte die HansBöckle­r-Stiftung eine Studie, aus der hervorgeht, dass Pflegekräf­te mit Migrations­hintergrun­d in Deutschlan­d oft schlechter­e Arbeitsbed­ingungen haben als ihre deutschen Kollegen. Sie würden mehr unbezahlte Überstunde­n leisten und häufiger von den Betreuten und ihren Angehörige­n kritisiert.

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FOTO: DPA Ohne Pflegekräf­te aus Osteuropa wäre die Pflege von Angehörige­n zu Hause für viele Deutsche unmöglich.

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