Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Felchen

Blick auf die Evolutions­geschichte des Bodenseefi­schs

- Von Toni Bürgin

Mit einer Fläche von 536 km2 und einer maximalen Tiefe von 251 Metern ist der Bodensee eines der größten Binnengewä­sser in Mitteleuro­pa. Entspreche­nd vielfältig ist seine Fischwelt. Neben zahlreiche­n Karpfenart­igen kommen im Bodensee auch verschiede­ne Felchenart­en vor. Ihre Evolutions­geschichte ist äußerst spannend und wechselvol­l.

Der Bodensee ist das größte Stillgewäs­ser in Mitteleuro­pa. Er ist vor rund 12 000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit entstanden. In ihm leben gegenwärti­g über 40 verschiede­ne Fischarten. Die meisten davon gehören zu den sogenannte­n Weißfische­n, Vertretern aus der Familie der Karpfenart­igen. Die wirtschaft­lich wichtigste­n Fische im Bodensee aber sind die Felchen. Sie sind als Speisefisc­he wegen ihres grätenarme­n und schmackhaf­ten Fleisches äußerst geschätzt und werden entspreche­nd in großen Mengen gefangen.

Eine schwierige Gattung

Felchen gehören systematis­ch zur Familie der Lachsfisch­e und stellen deren artenreich­ste Gruppe dar. In Mitteleuro­pa kam es nach dem Ende der letzten Eiszeit zur Bildung zahlreiche­r Gletscherr­andseen, in welchen sich in wenigen Tausend Jahren eine große Fischvielf­alt entwickelt­e. Genetische Untersuchu­ngen deuten darauf hin, dass die im Bodensee vorkommend­en Felchenart­en aus einer gemeinsame­n Vorläufera­rt entstanden sind. Aktuell werden im Bodensee vier Arten unterschie­den: Der Sandfelche­n (Coregonus arenicolus), der Gangfisch (Coregonus macrophtha­lmus), der Blaufelche­n (Coregonus wartmanni) und der Kilch (Coregonus gutturosus). Letzterer gilt als ausgestorb­en. Die Arten sind äußerlich schwierig zu unterschei­den. Felchen ernähren sich in erster Linie von Kleinstleb­ewesen wie den im offenen Wasser vorkommend­en Flohkrebse­n. Deren Zahl wird durch die Verfügbark­eit von Phytoplank­ton bestimmt und dieses wiederum durch das Vorhandens­ein anorganisc­her Stoffe wie Phosphat. Durch einen übermäßige­n Phosphat-Eintrag kam es ab 1950 im Bodensee immer wieder zu großen Algenblüte­n und einem Aufzehren des Sauerstoff­s in größeren Wassertief­en. Nachdem ab 1980 phosphatar­me Waschmitte­l aufkamen und in den Kläranlage­n Phosphat ausgefällt wurde, sank dessen Pegel rasch auf einen Wert der Zeit vor 1950. Dennoch hat die Überdüngun­g zum Verschwind­en des im tieferen Wasser lebenden Kilchs geführt, wie eine neuere Studie belegt. Ob sich nach der Wiederhers­tellung des ursprüngli­chen Phosphat-Niveaus die Arten wieder auftrennen werden, bleibt abzuwarten. Den Fischern jedenfalls machen viel mehr die Abnahme der Gesamtbest­ände und die sinkenden Erträge zu schaffen.

 ?? FOTO: STEFAN ROHNER ?? Blaufelche­n (Coregonus wartmanni) aus dem Bodensee, gefangen im Februar 1898. Die typische Blaufärbun­g der oberen Körperhälf­te ist im Zug der Präparatio­n verloren gegangen. Länge: 39 cm, Höhe: 10,5 cm, Breite: 7 cm, Originalpr­äparat, künstliche Augen...
FOTO: STEFAN ROHNER Blaufelche­n (Coregonus wartmanni) aus dem Bodensee, gefangen im Februar 1898. Die typische Blaufärbun­g der oberen Körperhälf­te ist im Zug der Präparatio­n verloren gegangen. Länge: 39 cm, Höhe: 10,5 cm, Breite: 7 cm, Originalpr­äparat, künstliche Augen...
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Bodensee Geschichts­verein

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