Brutale Misshandlung im Ulmer Gefängnis
Ein geständiger 19-Jähriger hat laut Staatsanwaltschaft seinen Zellengenossen auf brutale Weise über vier Tage gequält
ULM - Eine Woche lange konnte ein 19-jähriger Häftling in der Ulmer Justizvollzugsanstalt seinen 61-jährigen Zellengenossen quälen, schlagen und erniedrigen, bis eine schwere Vergewaltigung mit einem beinahe tödlichen Ausgang das Ende der Tortur war und der Täter in Einzelhaft genommen und angezeigt wurde. Seit gestern muss er sich der junge Mann aus dem Raum Ulm vor der 3. Großen Jugendstrafkammer wegen zahlreicher Delikte während seines Knastaufenthalts verantworten. Die Anklage lautet unter anderem auf schwere Vergewaltigung mit Todesgefahr und gefährlichen Körperverletzungen. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe.
Sein Leben war bisher ein einziger Höllenritt durch Jugendämter und Gerichte. Er wollte es in der jetzigen Einzelhaft beenden, aber der Selbstmordversuch misslang.
Gefesselt betritt gestern morgen der drahtige, mittelgroße Angeklagte mit kleinem Haarschwänzchen den Schwurgerichtssaal und blickt selbstbewusst in den Raum. Gleich zu Beginn des Verfahrens lässt er seinen Pflichtverteidiger verlauten, dass er die Anklage des Staatsanwaltes in allen Punkten bestätige, ansonsten aber im Verfahren bis auf die Fragen zu seiner Person schweigen werde, was sein gutes Recht als Beschuldigter ist.
Elf Anklagepunkte sind es, die der Staatsanwalt im Eiltempo verliest. Diese haben es in sich. Zwei Übergriffe – unabhängig von einander – auf zwei Mithäftlinge spielten sich allesamt in zwei kurzen Zeitspannen im September und November 2017 in der Ulmer Vollzugsanstalt jeweils innerhalb weniger Tage ab.
Im September wurde ein 42-jähriger Zellennachbar des Angeklagten angegangen, freiwillig Tabak herauszurücken, um seine eigenen Tabakschulden bei einem anderen Gefangenen zurückzuzahlen. Der Angeklagte untermalte seine Forderung mit einer Ohrfeige. Am nächsten Tag passte der Angeklagte erneut den 42Jährigen ab und schlug so auf ihn ein, dass dieser zu Boden ging und stark blutend kurz bewusstlos wurde. Der Grund: Er habe sich hintergangen gefühlt, als ihm nur eine halber Beutel Tabak herausgerückt wurde.
Im November ging der Angeklagte im Gefängnis am Frauengraben 4 noch mehr zur Sache, als er hörte, dass sein aktueller 61-jähriger Zellengenosse angeblich Sexualstraftaten begangen hatte. Er schritt zu einen grausigen Form der Selbstjustiz. Vier Tage wurde der Mithäftling erniedrigt, geschlagen und schließlich auf grausamste Weise vergewaltigt. Ende Oktober wurde dieses Martyrium eingeleitet mit Tritten in den Bauch sowie gezielten Faustschlägen ins Gesicht des älteren Mannes, sodass seine Nase blutete.
Danach zerrte der 19-Jährige sein Prügelopfer in die Nasszelle, hielt dessen Kopf in die Toilettenschüssel und betätigte die Spülung. Dann zog er den zu Tode verängstigten Mann zu dessen Bett und drückte ihm das Kissen auf das Gesicht. Kurz vor bevor er sein Bewusstsein verlor, ließ der Angeklagte von ihm ab. Am dritten Tag der Tortur fesselte der Angeklagte sein Folteropfer seinen Mitgefangenen mit beiden Händen auf dem Rücken und legte ihn auf dem Boden ab. Dann zog er extra sein dick besohlten Turnschuhe an und versetzte dem Opfer mehrere Tritte in den Bauch. In den nächsten Tagen wurde der 61-Jährige Mann fortlaufend mit Fußtritten und Faustschlägen gepeinigt.
Dem Tod nur knapp entronnen
Wohl am 3. November 2017 hätte der Geschundene, der vor dem Justizpersonal aus Angst eisern schwieg, um ein Haar den gewaltsamen Tod gefunden, als sich der Angeklagte eine besonders perfide Art der Demütigung und Folterung ausdachte. Total verängstigt kam der ältere Mann der Forderung des jungen Mitgefangenen nach, sich vor ihm vollständig zu entkleiden. Weisungsgemäß kniete er sich auf seinen Händen und Knien auf den Boden und spreizte seine Beine. Der Angeschuldigte missbrauchte den Mann laut Staatsanwalt auf unvorstellbar brutale Weise mit einer Gabel. Im Anschluss zwang der Peiniger den blutenden Gefangenen, nackt in der Nasszelle bei der Toilette zu schlafen. Dort kauerte der Mann bis zum nächsten Morgen, wo er endlich aus dieser Folterhölle im Haftraum 127 des Gefängnisses am Frauengraben befreit wurde und die ganzen Peinigungen ans Licht kamen.
Im Krankenhaus wurde festgestellt, dass der Missbrauch durch einen Darmriss letztlich eine Bauchfellentzündung verursacht hatte. Es bestand höchste Lebensgefahr. Dem Geschädigten musste gar ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. In der anschließenden intensivmedizinischen Behandlung wurde der Patient einen Tag in ein künstliches Koma versetzt.
Der Mann, inzwischen schwer alkoholkrank, war gestern als Zeuge geladen worden, konnte aber aus medizinischen Gründen nicht nach Ulm kommen. Am 10. August wird im Schwurgerichtssaal ab 8.30 Uhr weiterverhandelt. Dann wird auch über das reichlich kleinkriminelle Vorleben des Angeklagten zu berichten sein er und die Frage gestellt werden, warum solche Fälle mit brutalen Übergriffen von Gefangenen auf Mitgefangene am Frauengraben 4 in den vergangenen Jahren immer wieder vorkommen und die Justizbeamten im Hause davon nichts davon mitbekommen.