(K)ein Geburtstag wie jeder andere
Der Ludwigsfelder Hans Kreutner wird heute, am 8.8., 88 Jahre alt -Der Rentner ist noch sehr aktiv – ob im Garten oder auf der Bühne
NEU-ULM - Zielsicher bewegt sich Hans Kreutner in seinem Ludwigsfelder Häuschen, dabei ist er, wie er selbst sagt „fast blind“. Das ist es aber nicht, was ihn daran hindert, am heutigen Mittwoch groß zu feiern. Dabei wäre der Anlass dazu sehr wohl gegeben. Denn Hans Kreutner wird heute, am 8.8., genau 88 Jahre alt. So viele Menschen wird es in der Region nicht geben, die das von sich sagen können. Aber der Jubilar macht kein Brimborium darum. Ja, der Geburtstag werde schon gefeiert, berichtet der bis auf seine Sehschwäche noch sehr rüstige Senior. „Aber erst am Freitag, und zwar mit meinen Kindern und Enkeln. Die wohnen zum Teil weiter weg und können jetzt nicht kommen. An meinem Geburtstag selbst ist nichts und das ist in Ordnung.“Seine Frau, mit der er 63 Jahre lang verheiratet war, ist vor drei Jahren gestorben. Sie vermisst er natürlich sehr. Sicher wird es aber heute viele Anrufe geben und der eine oder andere wird an seiner Haustür läuten, um ihm zu gratulieren und Glück zu wünschen. Denn Hans Kreutner ist ein äußerst geselliger Mensch.
Auch wenn Hans Kreutner eigentlich nur noch schemenhaft seine Umwelt erkennt, versorgt er sich noch viel selbst, geht gerne in seinen geliebten Garten und wenn seine eine Enkelin, die auch die Berge liebt, mit ihm ins Allgäu, vor allem nach Oberstdorf fährt, ist er selig. Und: Auch heute noch steht Kreutner mit seinen Kameraden von der Theatergruppe des Generationentreffs Ulm/ Neu-Ulm auf der Bühne. „Natürlich spiele ich nicht mehr die großen Rollen, weil ich ja fast nichts mehr sehe“, erfährt man von ihm, „aber für Einzelvorträge bin ich immer noch zu haben.“
Der Garten, den er früher mit seiner Frau immer sehr gepflegt hat, Bergwandern, sehr gerne auch in den Dolomiten in Südtirol, und die Schauspielerei sind seine großen Leidenschaften. Auf die Bühne kam er nach dem Krieg. Als Mitglied des Gesangvereins Gerlenhofen trat er nicht nur als zweiter Bass im Chor, sondern auch in dessen Theatergruppe auf. Später, nachdem er in Ludwigsfeld gebaut hatte, wirkte er in der Theatergruppe des dortigen Gesangvereins mit, um sich später, dann als Rentner, der Gruppe des Generationentreffs anzuschließen. „Aber beim Generationentreff sind fast nur ältere Leute, von wegen Generationen. Nur im Computerraum oder bei Festen sind oft jüngere Leute anzutreffen.“Am liebsten hat der 88-Jährige in humorigen Stücken, also in Schwänken und Komödien, mitgespielt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Er fühlt sich unter Gleichgesinnten unheimlich wohl, sucht immer wieder den Kontakt mit ihnen.
Verschüttet unter dem zerbombten Haus
Hans Kreutner hatte als Jugendlicher den Zweiten Weltkrieg miterlebt, war aber ein „weißer Jahrgang“, wurde also nicht mehr zum Militär eingezogen. „Das Schlimmste, was ich erlebt habe, war, als das Haus meiner Eltern in Offenhausen ausgebombt wurde“, erinnert er sich heute noch. „Weil die Nachbarn einen sichereren Keller hatten, sind wir eines Tages zu denen gegangen, als es Fliegeralarm gab. Unser Haus war nachher platt und auch das Haus der Nachbarn, in dem wir waren, bekam etwas ab. Ich musste aus dem Schutt gerettet werden, aber immerhin haben alle überlebt.“
Weil am Kriegsende alle Schulen außer der Grundschule in Neu-Ulm zerstört waren, also auch die Oberrealschule, die er besucht hatte, begann Kreutner eine Lehre. „Ich habe es nie bereut“, sagt er. „Ich war immer auf Neues aus, also später auch alles, was mit dem Computer zusammenhing, habe immer Kontakte gesucht und das ist oben aufgefallen. Ich habe es bei Magirus bis zum Konstrukteur für Feuerwehrfahrzeuge gebracht.“Während seines Berufslebens musste er auch einmal für zwei Jahre, in denen er mangels Urlaubs nicht ein einziges Mal in die Heimat konnte, als Ausbilder nach Ägypten. „Da war natürlich alles anders“, erzählt der Senior. „Das Klima und vor allem die Mentalität der Menschen. Und die Kultur dort war sehr interessant. Vor allem lernte ich, zu den Moslems ein ganz anderes Verhältnis zu haben als die meisten hierzulande. Es war eine sehr interessante Phase meines Lebens.“
Vieles ging dann, als er älter wurde, nicht mehr so gut, weil die vererbte Netzhauterkrankung dazu führte, dass seine Sehkraft immer schwächer wurde. Vor allem „stinkt es“ihm, dass er kaum noch lesen kann. Er muss die Buchstaben am Computer ganz groß machen, damit er sie erkennen kann. So informiert er sich sehr viel aus dem Radio. Sicher auch heute, denn er ist am Geschehen in der Welt und in seiner Umgebung permanent interessiert. Und sein Geburtstag? „Ach“, meint Kreutner, „das ist doch ein Geburtstag wie jeder andere. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich am liebsten mit meiner Enkelin nach Oberstdorf gefahren. Aber die Söhne wollten lieber mit mir feiern. Wer weiß, ob wir das zu meinem nächsten Runden noch hinkriegen.“