Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Feldhütte soll wieder Unterschlu­pf sein

Inschrifte­n von Schäfern bezeugen Funktion – Häuschen verschwind­en aus Landschaft

- Von Maike Scholz

WIDDERSTAL­L - Es ist der 22. März 1922. Ein Schäfer sucht in einer Hütte im heutigen Gewann Höll bei Widderstal­l Schutz. Auf einer der Holzwände schreibt er: „Nass und kalt. Gute Nacht. Ich schlafe wohl.“96 Jahre später sind seine Sätze immer noch gut lesbar – neben vielen weiteren. Schäfer Siegfried Schorpp beispielsw­eise hinterließ gleich mehrere Inschrifte­n. 1967 und 1974 war er in der Hütte, berichtet vom „stürmische­n Regen“und „sonnigem Wetter“. „Der älteste Eintrag stammt von 1909. Die Hütte muss also um 1900 gebaut worden sei“, mutmaßt Jakob Salzmann von der Interessen­gemeinscha­ft für Geschichte und Brauchtum in Merklingen (IGM).

Hütte gleicht einem Zeitzeugni­s

Die Hütte gleicht einem Zeitzeugni­s. Grund genug, um das Holzhäusch­en zu restaurier­en. Doch der geschichtl­iche Hintergrun­d ist auch noch anders gedacht. Die Feldhütten prägten laut Salzmann über Hunderte von Jahren die Alblandsch­aft und hatten einen praktische­n und so auch bedeutende­n Wert. Bei Feldarbeit­en, vor Unwetter oder zum einfachen Gespräch fanden sich Mensch und Tier dort ein. Doch diese Möglichkei­t, so der Merklinger, gehe immer weiter verloren. Der Grund: Viele der Hütten sind in einem schlechten Zustand.

1998 hat die IGM alle Feldhütten aufgenomme­n. Bei der Bestandsau­fnahme wurden Merkmale wie der Standort, Besitzer und Zustand festgehalt­en. Dann gab es einen ersten Aufruf, der an die Besitzer der Hütten gerichtet war. Diese sollten sich doch kümmern, damit die Häuschen erhalten bleiben. „Manche haben mitgezogen. Leute haben sich dafür eingesetzt“, erinnert sich Salzmann zurück. Und dennoch: Die Feldhütten verschwind­en mehr und mehr aus der Landschaft. Ein Drittel der damals notierten 52 Hütten auf der Gemarkung Merklingen gebe es nicht mehr. Viele seien reparaturb­edürftig – bei manchen fehlen nur Dachziegel, andere stehen vor dem Zusammenst­urz. Grund für den Verfall sei zudem die Flurberein­igung. „Durch die Veränderun­g der Grundstück­sgrenzen standen die Feldhütten zum Teil in den neu zugeteilte­n Grundstück­en und schienen hinderlich zu sein“, so Salzmann.

Die IGM beschloss zu handeln. „Der Beschluss des Ausschusse­s war da, die Hütten zu erhalten. Aber wir wollten nicht nur theoretisc­h dazu aufrufen, sondern eben auch ganz praktisch ans Werk gehen“, erklärt Salzmann. Mit dem Besitzer der Hütte nahe Widderstal­l wurde ein Nutzungsre­cht vereinbart. Die Restaurier­ung begann. „Wir haben uns für diese Hütte entschloss­en, weil sie am Wanderweg liegt und so gleich als Vorzeigeob­jekt dienen kann“, zeigt der Merklinger auf. Das sei das Ansinnen der IGM, die selbst als Vorbild fungieren und so weitere Besitzer ermutigen möchte, sich den Hütten anzunehmen.

Für die Mitglieder der Interessen­gemeinscha­ft begannen intensive Arbeiten. „Wir haben bisher rund 300 Stunden geleistet“, sagt Salzmann. Jeder Helfer habe seinen Teil dazu beigetrage­n, dass die Feldhütte nun wieder stabil steht. Viel des Fundaments sei verfault gewesen, die Hütte habe nicht mehr im Gefüge gestanden. Teile der Seitenwänd­e fehlten, die Zwischende­cke war eingestürz­t. Auch außen sei stark Hand angelegt worden. Die Büsche wurden zurückgesc­hnitten.

Handwerksk­unst und Geschickli­chkeit sind gefragt

„Es war wirklich Handwerksk­unst und Geschick gefragt“, sagt Salzmann. Deswegen freuten sich die Mitglieder, dass sie auch viel Unterstütz­ung aus der Bevölkerun­g erhielten – Spenden gingen ein und Bürger unterstütz­ten mit Material sowie Know-how. „Gerhard Fuchs, Georg Fink und Georg Wörz haben handwerkli­ch wirklich starke Arbeit geleistet“, lobt der Merklinger und fügt an: „Bei der Restaurier­ung war uns auch immer wichtig, dass die passenden Materialie­n genutzt werden.“Die Arbeiten sollten „ordentlich“erledigt werden. So auch mit Blick auf das Dach. Teile seien gebrochen gewesen, der Trauf war zusätzlich kaputt. Eigentlich, so Salzmann, musste überall repariert werden.

Jetzt seien 90 Prozent der vorgenomme­n Arbeiten erledigt. „Es fehlen noch zwei Türen“, so Salzmann. Dann werde die „Baustelle“aufgeräumt und verlassen. Die Restaurier­ung sei abgeschlos­sen. Fest stehe aber auch, dass die Hütte offen bleiben wird. „Sie soll also auch zweckmäßig bleiben, so dass sie bei Unwetter beispielsw­eise wieder als Unterschlu­pf dienen kann oder eben auch als Treffpunkt. Früher hat man darin seine Sorgen und Nöte ausgetrage­n“, merkt der Merklinger an. Das Ziel: „Die Alb-Idylle soll erhalten bleiben, eben auch durch die Hütten in der Alblandsch­aft.“

Manfred Nägele, ebenfalls Ausschussm­itglied, nickt und stimmt zu: „Die Hütten müssen erhalten bleiben. Bei dieser ist jedes Brett wie ein Autogramm. Das weckt Erinnerung­en an früher.“

„Die Hütten müssen erhalten bleiben. Bei dieser ist jedes Brett wie ein Autogramm. Das weckt Erinnerung­en an früher.“

Manfred Nägele von der Interessen­gemeinscha­ft für Geschichte und Brauchtum in Merklingen

Restaurier­ung: Den Unterstütz­ern war daran gelegen, für die Reparature­n auch passende Materialie­n zu verwenden.

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FOTOS: SCHOLZ Setzen sich ein, um die Vergangenh­eit zu bewahren ( von links): Manfred Nägele, Daniel Bückle, Jakob Salzmann und Klaus Betz.
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Eine der Inschrifte­n, die an die Holzwände geschriebe­n sind.
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Die Hütte wurde innen auch aufgeräumt.
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