Italien droht eine Regierungskrise
● taliens Innenminister Matteo Salvini von der rechtsextremen Partei Lega setzt dieser Tage auf Eskalation. Er fordert den Staats- und den Parlamentspräsidenten, die Staatsanwaltschaft, die Kirche und einen guten Teil der italienischen Öffentlichkeit heraus. Dabei geht es im Kern um rund 150 Menschen aus Eritrea und Somalia. Und um die Weigerung Salvinis, sie an Land zu lassen.
Die Flüchtlinge, von Salvini als „illegale Einwanderer, jung und kräftig“beschrieben, befinden sich seit Tagen an Bord des Schiffes „Diciotti“der italienischen Küstenwache. Die „Diciotti“liegt seit einer Woche im Hafen der sizilianischen Stadt Catania. Doch die Migranten an Bord dürfen bisher nicht an Land gehen – mit Ausnahme von 27 unbegleiteten Minderjährigen, die das Schiff am
IMittwochabend verlassen haben. Bei den Erwachsenen bleibt der Innenminister hart. 150 Menschen bleiben faktisch an Bord der „Diciotti“eingesperrt. „Ich will nicht mehr, dass diese Illegalen in Italien unseren Erdboden betreten“, sagte Salvini. „Soll das übrige Europa sie doch aufnehmen!“Zivile und staatliche Organisationen versorgen die Menschen an Bord mit Lebensmitteln und Medikamenten. Ein Arzt, der die Menschen an Bord untersucht hatte, sagte am Donnerstag, sie seien „gefährlich geschwächt“. Hinzu kommt, dass fast alle von ihnen an Krätze leiden.
Staatspräsident Sergio Mattarella hat inzwischen bei Regierungschef Giuseppe Conte interveniert, damit die Flüchtlinge an Land dürfen. Die Staatsanwaltschaft von Catania ermittelt inzwischen gegen unbekannte Personen wegen des unerlaubten Festhaltens von Personen auf italienischem Grund und Boden. Die Staatsanwälte erklären ihre Ermittlungen damit, dass ein staatliches Schiff der Küstenwache „Grund und Boden Italiens“sei. Innenminister Salvini reagierte auf seine Weise, in einem Video auf Facebook. Darin richtet er sich direkt an die Staatsanwälte. Er sei „kein Unbekannter“. Salvini weiter: „Die können auch direkt gegen mich ermitteln, die sollen mich ruhig festnehmen, mir geht es „um die Verteidigung Italiens gegen die Einwanderer.“
Die katholische Bischofskonferenz, die Oppositionsparteien und ein Großteil der Medien bezeichnen Salvinis Vorgehen als „inhuman“. Der römische Verfassungsrechtler Giovanni Maria Flick nennt Salvinis Vorgehen verfassungswidrig, weil niemand, auch kein Einwanderer ohne Ausweispapiere oder Aufenthaltsgenehmigung, gegen seinen Willen festgehalten werden dürfe.
Salvinis Vorgehen könnte zu einer Regierungskrise führen. Während seine eigene Partei Lega hinter ihm steht, sieht sein Koalitionspartner, die 5-Sterne-Bewegung (M5S), den „Fall Diciotti“eher kritisch. Parlamentspräsident Roberto Fico von der M5S kritisierte das Festhalten der Einwanderer. Salvini wies Fico zurecht. „Der soll sich nicht in Dinge einmischen, von denen er nichts versteht“, so Salvini am Donnerstag.
Politische Beobachter vermuten, dass Salvini die Situation gezielt eskalieren lässt. Aus gut informierten Kreisen wurde bekannt, dass Salvini nichts dagegen hätte, wenn die Regierungskoalition zerbrechen würde. Die Folge wären Neuwahlen, aus denen, so Salvinis politisches Kalkül, die Lega als stärkste Partei Italiens hervorgehen könnte.