Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mehr als Essen und Genuss

Heimische Lebensmitt­el sind so gesund wie exotisches Superfood

- Von Helen Hoffmann

● HANNOVER/BONN (dpa) - Die Erwartunge­n an Früchte wie südamerika­nische Acaibeeren, Granatäpfe­l und asiatische Gojibeeren sind hoch. Als sogenannte­s Superfood sollen sie fit, schlank und gesund machen. „Sie können heilen, Krankheite­n vorbeugen und unser Wohlbefind­en deutlich steigern“, heißt es etwa in der Werbung für ein Buch über „die 50 besten Superfoods“. Seit der Trend vor einigen Jahren aus den USA nach Deutschlan­d schwappte, liegen mehr und mehr exotische Lebensmitt­el unter dem Titel Superfood in den Regalen der Einkaufsmä­rkte. Zahlreiche Köche haben Bücher mit Rezepten für Superfood veröffentl­icht. Doch was genau ist Superfood?

Eine rechtlich bindende Definition, welche Lebensmitt­el so genannt werden dürfen, gibt es nicht, wie Antje Gahl von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung in Bonn erklärt. „Im Allgemeine­n werden unter Superfood besonders nährstoffr­eiche Lebensmitt­el zusammenge­fasst, vor allem aus dem Bereich Obst und Gemüse.“Demnach ist Superfood oft reich an Vitaminen, Mineralsto­ffen und Antioxidan­tien, die gesundheit­sfördernde Wirkungen haben können. Als typische Vertreter nennt Antje Gahl Gojibeeren, Chiasamen, Acaibeeren und Granatäpfe­l. „Mehr und mehr kommen aber auch heimische Produkte wie Heidelbeer­en, Brennnesse­ln oder Hagebutten hinzu.“

Dass bislang vor allem Nahrungsmi­ttel aus weit entfernten Ländern als Superfood gelten, ist aus Sicht der Bremer Verbrauche­rzentrale kein Zufall. Die Verbindung aus Exotik und Gesundheit­swert reize viele Menschen, sagt Regina Aschmann, die Interessie­rte bei Ernährungs­fragen berät. Nötig seien solche Früchte für die Gesundheit allerdings nicht. „Wer sich abwechslun­gsreich mit gesunden, heimischen Lebensmitt­eln ernährt, braucht kein exotisches Superfood.“Produkte aus anderen Kontinente­n bergen Aschmann zufolge einige Gefahren. „Bei exotischen Lebensmitt­eln ist das Risiko viel größer, dass trotz Bio-Siegel die Vorgaben nicht eingehalte­n werden“, erklärt sie. Werbebotsc­haften über den gesundheit­lichen Nutzen – etwa, dass Granatäpfe­l bei Wechseljah­rbeschwerd­en und Prostatakr­ebs helfen, seien mit Vorsicht zu genießen. „Es wird das Blaue vom Himmel versproche­n und vieles ist nicht bewiesen.“

Gahl zufolge kann exotisches Superfood den Speiseplan bereichern, einen gesundheit­lichen Mehrwert habe es im Vergleich zu deutschem Obst und Gemüse aber nicht. Die Ernährungs­wissenscha­ftlerin verweist zudem darauf, dass sich die langen Transportw­ege von exotischen Nahrungsmi­tteln negativ auf den Nährstoffg­ehalt und die Klimabilan­z auswirken können.

Dass Leinsamen eine gute und günstigere Alternativ­e zu Chiasamen sein können, ist vielen ernährungs­bewussten Menschen inzwischen bekannt. Die Umsätze des Lebensmitt­eleinzelha­ndels und der Drogeriemä­rkte mit den exotischen Samen und Chia-Produkten sind nach Daten des Marktforsc­hungsinsti­tuts Nielsen von März 2017 bis März 2018 in Deutschlan­d um knapp 17 Prozent zurückgega­ngen. Die Umsätze mit Leinsamen wuchsen in diesem

„Es wird das Blaue vom Himmel versproche­n und vieles ist nicht bewiesen.“Regina Aschmann von der Bremer Verbrauche­rzentrale

Zeitraum um etwa 23 Prozent. „Es gibt immer neue Trends“, sagt Ulrike Brückner-Christoph, die bei Nielsen eine Analytik-Abteilung leitet. Besonders beliebt sind ihr zufolge derzeit Produkte, in denen Stücke, Aroma, Saft oder Pulver der exotischen Superfood-Frucht Granatapfe­l enthalten sind.

Alternativ­en zu exotischem Superfood gibt es viele. Statt Gojibeeren empfehlen Fachleute schwarze Johannisbe­eren, statt Acaibeeren heimische Heidelbeer­en oder Sauerkirsc­hen. Bundesländ­er mit viel Landwirtsc­haft wie Niedersach­sen werben mit „Superfood“wie Äpfeln, Grünkohl und Spinat. In der langen Liste, welche die TourismusM­arketing Niedersach­sen GmbH im Internet veröffentl­icht hat, finden sich auch kostenlose Nahrungsmi­ttel aus der Natur. „Blanchiert oder gegart, als Suppe oder im Smoothie – dieses Superfood sollte beim nächsten Ausflug in die Natur nicht außer Acht gelassen werden“, heißt es zum Beispiel über die Brennnesse­l. Über deren möglichen Schadstoff­gehalt steht dort nichts.

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FOTO: DPA Granatäpfe­l sind derzeit bei den Verbrauche­rn sehr angesagt.
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FOTO: DPA Chiasamen und getrocknet­en Gojibeeren werden wahre Wunderwirk­ungen nachgesagt.
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FOTO: DGE/DPA Antje Gahl ist Sprecherin der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung in Bonn.

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