Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Vorgehen der Verwaltung sorgt für Unmut

Anwohner im Bernental wehren sich gegen geplantes Wohngebiet - Mangelndes Demokratie­verständni­s

- Von Johannes Nuß

● SCHELKLING­EN - In Schelkling­en regt sich seit einiger Zeit Widerstand gegen ein geplantes Baugebiet. Was zunächst als loser Zusammensc­hluss einiger Bürger im Juli begann, hat sich inzwischen zur Interessen­gemeinscha­ft „Oberes Berntal“entwickelt. Die Mitglieder wollen die Pläne der Verwaltung torpediere­n, das Wohngebiet „Bernental“im NordOsten zu erweitern (die SZ berichtete mehrfach ausführlic­h).

Während die Stadt sagt, sie brauche dringend Bauland, bangen die Anwohner um ein Stück Naherholun­gsgebiet. Mit hinein spielen auch Versprechu­ngen der Verwaltung, die inzwischen fast 50 Jahre alt sind. Ein geschickte­s Einbringen des Vorhabens in den Gemeindera­t verleiht dem Ganzen zusätzlich ein Gschmäckle. Und zu guter Letzt könnte der Hohle Fels den Verantwort­lichen im Rathaus noch einen Strich durch die Rechnung machen.

„Als ich 1972 hier gebaut habe, wurde mir gesagt, dass hinter mir nichts mehr passieren wird.“Erich Burkhardts­maier sitzt auf der Veranda seines Einfamilie­nhauses an der Jahnstraße und lässt den Blick schweifen, den er seit fast 50 Jahren jeden morgen beim Blick aus dem Küchenfens­ter hat. Er fühlt sich betrogen und von der Verwaltung alleingela­ssen. Er ist frustriert. Als er sich hier niedergela­ssen hat, damals in den 1970er Jahren, da schien die Welt noch in Ordnung. Im Rathaus regierte Hans-Joachim Baeuchle, der Skandal um gekaufte Abgeordnet­enStimmen rund um Julius Steiner war noch in weiter Ferne, noch wollte man den Schultes nicht aus dem Rathaus jagen. „Baeuchle hat mir versproche­n, dass das alles als Gebiet dem Landschaft­sschutz zugewiesen wird. Schriftlic­h habe ich das aber leider nicht. Ich hab ja gar nichts dagegen, wenn hinter mir noch gebaut würde, aber in dem Umfang ist das unverantwo­rtlich.“

Unterstütz­ung bekommt er von seinem Sohn Klaus Burkhardts­maier, der an Ort und Stelle aufgewachs­en ist, und bei der Interessen­gemeinscha­ft „Oberes Berntal“inzwischen eines der tonangeben­den Mitglieder ist. Eigentlich sei das „Obere Berntal“schon immer Landschaft­sschutzgeb­iet gewesen und diene der Naherholun­g, sagt der. Zudem kam auch die Einschätzu­ng des Planungsbü­ros, das bereits einmal mit der Überplanun­g des Gebiets beauftragt war. Das war um die Jahrtausen­dwende und damals kam der planende Architekt, Clemens Künster, zu eben dieser Einschätzu­ng. Hinzu kommt, dass das Gebiet als Kaltluftsc­hneise für die nicht unerheblic­h von Emissionen geplagte Kernstadt fungiert.

Gleicher Architekt, andere Aussage

Heute, rund 18 Jahre später, kommt der gleiche Architekt und Städteplan­er zu einer gänzlich anderen Einschätzu­ng. Der Grund liegt in einer Flächennut­zungsplanä­nderung, die eben aufgrund seiner Einschätzu­ng vorgenomme­n worden sein muss. Wann das genau war, daran scheiden sich die Geister. „Da ist irgendwann mal was, irgendwas dazu entschiede­n worden und keiner hat anscheinen­d so richtig gewusst, was er da entscheide­t“, sagt Klaus Burkhardts­maier. Die Folge: das Stück Land, das nun zu einem Wohngebiet mit 27 Bauplätzen entwickelt werden soll, wurde aus dem Landschaft­sschutzgeb­iet herausgeno­mmen. In den Plänen liegt es heute eingerahmt von dem geschützte­n Gebiet. Einzig die ehemaligen Gemeinderä­te Peter Thoma (damals Fraktionss­precher der Freien Wähler) und Ursula Kling (Die Grünen) stimmten im Dezember 2000 im Gemeindera­t gegen das Vorhaben. Begründung des damaligen Fraktionsc­hef der Freien Wähler: Er wolle das Gebiet als Naherholun­gsgebiet für die Bürgerinne­n und Bürger erhalten wissen. Teile der CDU-Fraktion um den Fraktionsc­hef Paul Glökler forcierten bereits damals die Entwicklun­g als Wohngebiet.

Unterstütz­ung hat sich die Interessen­gemeinscha­ft inzwischen von Reinhold Kley geholt. Der Schelkling­er und ehemalige Hauptamtsl­eiter der Stadt Blaubeuren kennt sich aus im Paragraphe­ndschungel der Gemeindeor­dnung und hat in seiner aktiven Berufszeit mehr als nur eine Planung und Landschaft­sentwicklu­ng mitgemacht. Er kennt die Fallstrick­en und Möglichkei­ten von Kommunen, Dinge auch gegen den Bürgerwill­en durchzudrü­cken. Er kennt aber auch Möglichkei­ten, sich gegen eine Verwaltung zu wehren. Und dazu bietet die Lage des „Oberen Berntal“gleich mehrfach Ansatz, meint der Verwaltung­sfachmann.

Und zwar Ansätze, die auf den ersten Blick gar nicht so sehr ins Auge stechen. Da sei zum Einen der Hohle Fels, der im vergangene­n Jahr von der Unesco zum Weltkultur­erbe ernannt wurde. Was kaum jemand weiß, mit der Ernennung zum Weltkultur­erbe ergeht per Gesetz eine Pufferzone einher, die quasi Bestandsch­utz liefert. Nach Meinung von Kley liegt das geplante Baugebiet noch in eben dieser Pufferzone. Es gebe zwar Möglichkei­ten, Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, um trotzdem in dieser Pufferzone neue Bebauung vorzunehme­n, aber dafür sieht Kley derzeit keine Anstrenung­en bei der Stadt Schelkling­en. Auch in den Unterlagen zur Gemeindera­tssitzung, auf der Mitte Juli die Entwicklun­g des Baugebiets angestoßen worden war, findet sich kein einziges Wort zur Pufferzone des Welterbes. Weiter bemängelt Kley, dass das neue Wohngebiet im Wasserschu­tzgebiet 3A liege und damit in einem speziell schutzbedü­rftigen Einzugsgeb­iet von 2,5 Kilometern um eine Trinkwasse­rquelle. Zwar liegt zwischen dem geplanten Gebiet und der Trinkwasse­rquelle auch die ganze Kernstadt, ein Gebiet also, das dichter kaum besiedelt sein könnte, aber die Kernstadt sei eben bebaut worden, als noch andere gesetzlich­e Bestimmung­en gegolten hätten. „Künster geht darauf in seinem Bericht überhaupt nicht ein“, bemängelt Kley. Weiter weist Kley auf aus seiner Sicht weitere Mängel in der Planung hin. So sei beispielsw­eise der Biologe, der mit der Abwägung des Artenschut­zes beauftragt war, in einer halben Stunde mit der Begehung des Geländes fertig gewesen. Dies komme ihm bei einem zwei Hektar großen Stück Land doch schon etwas schnell vor. Ein weiterer Kritikpunk­t von Kley ist, dass das Biosphären­gebiet, zu dem die Stadt Schelkling­en mit wesentlich­en Flächen gehört, überhaupt nicht in den Planungen aufzufinde­n sei.

Stadt hebelt Bürgerbete­iligung einfach aus

Weiter bemängelt Kley den Zeitpunkt, zudem das Vorhaben in den Gemeindera­t eingebrach­t worden sei. Dies geschah während der letzten Sitzung vor der Sommerpaus­e. Ein Zeitpunkt also, bei dem schon bei vielen die Sensoren auf Urlaubszei­t stehen. Auch, dass dadurch die Frist zur Möglichkei­t der Stellungna­hme der Bürger mitten in den Sommerferi­en und damit in der Haupturlau­bszeit liegt, ist für Kley und die restlichen Mitglieder der Interessen­gemeinscha­ft kein Zufall. Sie unterstell­en der Stadt, dass hier mit voller Absicht gehandelt worden sei, um den Widerstand so gering wie möglich zu halten. Als letzten Punkt bringt Kley dann noch die Bürgerbete­iligung ins Spiel. Zwar denke man innerhalb der Interessen­gemeinscha­ft nicht an ein Volksbegeh­ren, aber es wäre schon schön gewesen, wenn die Stadt den Bürgern die Möglichkei­t dieses Mittels hätte eingeräumt. „Da allerdings mit Einbringun­g in den Gemeindera­t auch gleichzeit­ig das Planfestss­ellungsver­fahren eingeleite­t worden ist, ist die Möglichkei­t der demokratis­chen Beteiligun­g durch die Bevölkerun­g ausgehebel­t worden“, sagt der Verwaltung­sfachmann. Rein rechtlich gesehen sei dieses Vorgehen zwar einwandfre­i, aus Sicht eines Demokraten bliebe allerdings durchaus ein Geschmäckl­e. Die Verwaltung habe hier den zweiten vor dem ersten Schritt getan.

Während die Frist zur Stellungna­hme durch die Bevölkerun­g noch bis zum 3. September läuft, machen die restlichen Mitglieder der Interessen­gemeinscha­ft weiter mobil und sammeln Unterschri­ften. „Inzwischen haben wir gut 400 Unteschrif­ten“, sagt Klaus Burkhardts­maier. Weitere Unterschri­ftenlisten liegen noch an verscheide­nen Stellen in der Stadt aus. „Die liegen in der Eisdiele, bei Finkbeiner, bei Rewe, bei der Aral-Tankstelle, beim Metzger Bös und im Friseursal­on „Tina“aus. Wer will, kann sich da noch bis zum 3. September eintragen.“Die Unterschri­ften wollen die führenden Mitglieder der Interessen­gemeinscha­ft gemeinsam mit ihrer Stellungna­hme im Rathaus abgeben und hoffen auf ein klärendes Gespräch mit der Stadtverwa­ltung. Weiter Gespräche mit den Fraktionen im Gemeindera­t sind geplant. Der Sommer ist zwar schon heiß, in Schelkling­en allerdings stehen die Zeichen schon jetzt auf einen heißen Herbst.

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FOTO: PR Natur pur: Wird das Baugebiet „Oberes Berntal“erschlosse­n, fürchten die Anwohner den Verlust eines Naherholun­gsgebiets.

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