Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gespannt bis in die Zungenspit­ze

Tennis: Ehemaliger Spitzen-Spieler Anders Jarryd trumpft bei der Senioren-WM auf

- Von Stefan Kümmritz

● ULM/NEU-ULM - Hochkonzen­triert blickt der Spieler mit der roten Kappe dem Ball entgegen, den sein Gegenüber abgefeuert hat. Der Mann mit der spitzen Zunge, die bei fast jedem Schlag lustig aus seinem Mund herauslugt, schlägt zurück, die Filzkugel klatscht auf die hintere Begrenzung­slinie des Spielfelde­s – wieder ein Punkt für Altmeister Anders Jarryd. Der Schwede spielt bei den in Ulm und Neu-Ulm noch bis Samstag laufenden Senioren-Tenniswelt­meistersch­aften in der Altersklas­se 55 und bekennt in fast perfektem Deutsch: „Mein Ziel ist es, den Titel zu gewinnen.“Der Favorit ist er allemal. Und er war auch der Favorit vom Mitorganis­ator der WM, dem Ulmer Florian Ebner. Der hatte fast einen Luftsprung gemacht, als feststand, dass Anders Jarryd hier an den Start geht.

Zu Beginn der Einzelkonk­urrenz hat Jarryd, zu seiner besten Zeit als Profi Fünfter der Weltrangli­ste (1985), in drei Begegnunge­n keinen Satz und nur fünf Spiele abgegeben. Zunächst bekam er es mit zwei deutschen Spielern zu tun. Andreas Kohl kassierte dabei mit 0:6, 0:6 die „Höchststra­fe“, Bernd Ruck unterlag dem Schweden mit 0:6, 3:6 und am Mittwoch setzte sich Jarryd gegen den Österreich­er Friedrich Tschernuth mit 6:0, 6:2 durch. Nach seinem gestrigen 6:4, 6:1-Erfolg über den zunächst starken Ungarn Zsolt Szekrenyes hat er nun das Halbfinale erreicht.

Was so sicher und so leicht schien, war es für die Nummer zwei der M55-Setzliste gar nicht. „Ich trainiere zwar viel, spiele aber nicht mehr so viele Turniere“, berichtete Anders Jarryd nach seinem Erfolg über Tschernuth. „Ich bin keine 25 mehr und das merke ich in den Knochen. Man ist einfach nicht mehr so fit.“Für seine 57 Lenze ist er aber noch verdammt fit. Wo andere in seinem Alter schon ein Bäuchlein haben ist bei dem in Lidköping geborenen Tennis-Ass am Nabel höchstens eine Hautfalte zu sehen und er kann bei über 30 Grad in gleißender Sonne mit schnellen Schritten über den Court laufen und blitzsaube­re Bälle spielen. Ob er das auch zwei Stunden oder länger kann, ist nicht zu sagen. So lange wurde er bisher bei der WM in noch keinem Match gefordert. „Die Hitze belastet alle“, ist sich Jarryd sicher. „Aber es geht und ich bin mit mir bisher zufrieden. Jetzt kommt ja Abkühlung. Hoffentlic­h wird es dann nicht gleich zu kalt.“

Als Doppelspez­ialist – von 1985 an nahm er im Doppel in der Weltrangli­ste 107 Wochen lang Rang eins ein und holte unter anderem acht Grand-Slam-Titel – hat er hier für diesen Wettbewerb natürlich auch gemeldet und mit dem US-Amerikaner R. Thomas Coulton einen guten Mann an seiner Seite. Die ersten beiden Partien wurden gleich locker gewonnen. Als Profi hatte Jarryd mehrer starke Partner, unter anderen Stefan Edberg und Henrik Holm, der jetzt ebenfalls bei der Weltmeiste­rschaft auf Titeljagd geht, allerdings in der M50. Heute muss Jarryd wie alle anderen Spieler bei der WM selbst den Platz abziehen und die Linien säubern. Das hatte er einst als Berufsspie­ler und schwedisch­er DavisCup-Kapitän nicht unbedingt gemusst. Aber Jarryd, früher als Temperamen­tsbündel bekannt, macht das ganz gelassen. Nur eines kann er immer noch nicht haben: Wenn sich jemand während dem Match dicht am Spielfeld bewegt. „Bitte setzen“, ruft er dann schon einmal zu dem Störenfrie­d hinüber, um sich am Ende des Matches ganz friedlich zu zeigen, sich mit seinem unterlegen­en Gegner freundlich auszutausc­hen und bereitwill­ig Fragen zu beantworte­n.

Der ehemalige Tennis-Weltstar, der 1996 seine Profikarri­ere beendete und heute in seiner Heimat in Båstad lebt, ist ein ruhiger, besonnener Mann geworden, der alles mit Köpfchen macht. Trotzdem: Sein Ehrgeiz im Tennis ist immer noch groß, sonst hätte er nicht an die Donau kommen und sich zum Ziel setzen müssen, in seiner Altersklas­se Weltmeiste­r zu werden.

Und so geht er schon einmal ins gegnerisch­e Spielfeld, um sich den Abdruck eines von ihm geschlagen­en Balles genau anzusehen. Aus, wie sein Kontrahent behauptet, oder vielleicht doch gerade noch ein bisschen drin? Letztlich akzeptiert er jede Entscheidu­ng und schaut, dass sein nächster Ball sitzt. Für Anders Jarryd, der vom Turnier hier begeistert ist, kein allzu großes Problem. „Das hier ist alles sehr schön gemacht“, hat er für den Veranstalt­er höchstes Lob übrig. „Die Anlage ist toll, die Plätze liegen schön dicht beeinander, die Organisati­on ist wie eigentlich bei allen Turnieren in Deutschlan­d klasse und das schöne Wetter ist ein Extrabonus.“

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FOTO: STEFAN KUEMMRITZ Anders Jarryd

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