Ein Angriff auf die Verfassung
S● chon viel früher hätte man hellhörig werden können. AfDChef Alexander Gauland forderte auf dem Bundesparteitag Ende Juni, nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse weg, sondern ein „ganzes System“. Diesen Verbalangriff hat Gauland nun wiederholt – und verschärft.
Gauland ist bekannt für Grenzüberschreitungen. Es wäre aber fatal, diese neue einfach nur als nächsten Tabubruch abzutun. Mit seinem Wunsch nach einer Änderung des „Systems“erreicht selbst Gauland unumkehrbar eine neue Eskalationsstufe. Er zeugt von Gaulands tiefem Groll gegenüber einem Staat, in dem andere Meinungen als die eigene existieren dürfen. Von dem Ärger über eine pluralistische Demokratie, die auch „Systemparteien“zulässt.
Da mag Gauland noch so oft betonen, sein Angriff sei keiner auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Mit seiner Forderung nach einer Abschaffung des „Systems Merkel“, zu dem er Christdemokraten, aber auch „Leute aus anderen Parteien“und Vertreter von Medien und Presse zählt, attackiert er die Verfassung als Ganzes. Gauland will Systemparteien, Systempolitiker und Systemjournalisten aus dem Weg räumen.
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist aber untrennbar von ihrer Ausgestaltung als Mehrparteienstaat und der Pressefreiheit verbunden. Der Parteichef möchte diese Teile des Rechtsstaats amputieren und nimmt dafür den Tod der Grundordnung in Kauf. Denn man kann nicht das eine beschneiden, ohne das andere abzuschaffen.
Was Gauland zudem völlig ausblendet: Sein viel gescholtenes „politisches System im Sinne des Parteiensystems“wurde bei der vergangenen Bundestagswahl von der überwiegenden Mehrheit der Wähler getragen – obwohl sie eine Alternative hatten. 87 Prozent der Bürger, die ihre Stimme nicht Gaulands Alternative für Deutschland, sondern den Grünen, den Linken, der SPD, der Tierschutzpartei oder der Union gegeben haben, stehen eben nicht hinter Alexander Gaulands „friedlicher Revolution“.