Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lehrermang­el verschärft sich weiter

700 Stellen bleiben unbesetzt – Grundschul­en auf dem Land am stärksten betroffen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Wenn am Montag die Schule in Baden-Württember­g wieder beginnt, fehlen insgesamt 700 Lehrer. Das erklärte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Donnerstag in Stuttgart. Damit ist die Zahl der unbesetzte­n Stellen im Vergleich zum Vorjahr weiter gestiegen. „Wir haben Handlungsb­edarfe“, sagt Eisenmann, „aber klar ist: Bildungsno­tstand ist etwas anderes.“

Vor einem Jahr warf die Kultusmini­sterin einen düsteren Blick auf das bevorstehe­nde Schuljahr 2017/2018. Sie sprach von 635 Stellen, die nicht besetzt werden konnten. Den größten Mangel verzeichne­te sie an den Grundschul­en, vor allem an jenen im ländlichen Raum. Dieser Trend hält laut Eisenmann auch im Schuljahr 2018/2019 an. Diesmal gibt es noch mehr offene Stellen – mehr als die Hälfte davon, nämlich 370, entfallen auf die Grundschul­en.

Trotz der Verschlech­terung übt sich Eisenmann in Optimismus. Das Maßnahmenp­aket gegen den Lehrermang­el, das sie vergangene­s Jahr aufgesetzt hat, wirke. So haben sich 200 Gymnasiall­ehrer dazu bereiterkl­ärt, an Grundschul­en zu unterricht­en. Dafür ist ihnen nach einigen Jahren eine Stelle am Gymnasium versproche­n. Das Potenzial ist deutlich höher: Laut Eisenmann gibt es fast 2000 Gymnasiall­ehrer, für die es derzeit keine passenden Stellen gibt.

Pflichtunt­erricht findet statt

Unter anderem über diesen Weg werde der Mangel an Lehrern einigermaß­en gleich auf das Land verteilt. 17 Gymnasiall­ehrer werden ab Montag etwa in Tuttlinger Grundschul­en unterricht­en. Zu Beginn des neuen Schuljahre­s sei der Pflichtunt­erricht für die rund 1,5 Millionen Schüler gewährleis­tet – unter anderem dadurch, dass Grundschul­lehrer zwei oder drei Schüler mehr pro Klasse unterricht­en sollen als die vorgegeben­en 28. Wenn im Herbst aber die Krankheits­wellen einsetzen und Pädagogen wegen Mutterschu­tz oder Elternzeit ausfallen, „kommt das System auf Sicht ins Rutschen“.

Eisenmann verweist auf weitere Erfolge des Maßnahmenp­akets: Unter anderem unterricht­en 320 Pensionäre weiter; 76 Lehrer werden angestellt, obwohl sie nur ein Fach studiert haben; 95 Lehrer kehren frühzeitig aus der Beurlaubun­g zurück; 1500 Lehrer haben ihre Arbeitszei­t aufgestock­t. „Wenn wir es nicht aufgesetzt hätten, wären wir jetzt locker bei 1000 offenen Stellen“, sagt Eisenmann über das Bündel an Maßnahmen. Dass trotzdem 700 der rund 5700 Stellen noch nicht besetzt sind, liege auch am „geografisc­hen Beharrungs­vermögen“von Junglehrer­n. „Sie bleiben lieber befristet in Karlsruhe als unbefriste­t ins schöne Tuttlingen zu gehen“, so Eisenmann.

Nun will sie offenbar den Druck erhöhen. So werden arbeitslos gemeldete Lehrer in Mangelgebi­eten wohl einen Brief von der Arbeitsage­ntur erhalten, mit der die Kultusmini­sterin kooperiert. Tritt der Lehrer eine angebotene Stelle nicht an, drohen Kürzungen bei den Sozialleis­tungen. Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) glaubt an keine Wirkung dadurch. Bei mehr als 70 Prozent handle es sich um befristet beschäftig­te Lehrer, die über die Sommerferi­en in die Arbeitslos­igkeit geschickt würden. „Kein Wunder, dass bei einem solchen Verhalten immer wieder Lehrkräfte in die Schweiz und andere Bundesländ­er wechseln“, sagte GEW-Landeschef­in Doro Moritz. Sie – wie auch die SPD – fordern von Eisenmann, die Krankheits­reserve von landesweit 1666 Lehrern auszuweite­n.

Außerdem sollen die Schulverwa­ltungen laut Eisenmann mehr Lehrer von gut bestückten Regionen in Mangelgege­nden versetzen. Das sei erst 60-mal geschehen. Zudem gewähren die Behörden noch immer Teilzeit an Lehrer, die keine rechtliche Grundlage dafür haben, erklärt eine Ministeriu­mssprecher­in der „Schwäbisch­en Zeitung“– ohne jedoch Zahlen nennen zu können. Das hatte Eisenmann vergangene­s Jahr untersagt. „Da müsste die Verwaltung noch stärker darauf achten“, so die Sprecherin.

Eisenmann gibt Grün-Rot Schuld

Für die Misere macht Eisenmann die grün-rote Vorgängerr­egierung verantwort­lich – diese habe etwa Studienkap­azitäten für das Grundschul­lehramt abgebaut, die nun wieder erhöht worden seien. Damit mache es sich die Kultusmini­sterin zu einfach, erklärt die FDP. „Der gebetsmühl­enartige Verweis der Kultusmini­sterin auf die Vorgängerr­egierung verkommt immer mehr zum Ritual der Hilflosigk­eit und ersetzt nicht das eigene Handeln“, sagt Timm Kern.

Bis Ende September hofft Eisenmann, noch offene Stellen zu besetzen. Dies sind 30 bei Haupt- und Werkrealsc­hulen, 170 bei Realschule­n und 90 bei den Berufliche­n Schulen. Am Gymnasium gibt es keinen Mangel, und auch bei den Sonderpäda­gogen sind alle Stellen besetzt – wenn auch nicht ausschließ­lich mit Pädagogen, wie die Ministeriu­mssprecher­in einräumt.

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