Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Forderunge­n werden lauter

Politiker und die Mehrheit der Bevölkerun­g pochen auf eine Beobachtun­g der AfD – Die Hürden sind hoch

- Von Daniel Hadrys

RAVENSBURG - Die Stimmen aus der Politik und der Bevölkerun­g für eine Überwachun­g der AfD werden lauter. Doch welche Voraussetz­ungen müssen erfüllt sein? Und was passiert bei einer Beobachtun­g? Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Wer fordert die Überwachun­g der AfD?

Spätestens seit der gemeinsame­n Demonstrat­ion von AfD und der fremdenfei­ndlichen Pegida in Chemnitz werden die Forderunge­n deutlicher. Unter den Teilnehmer­n waren auch Hooligans und bekannte Neonazis. Bundestags­vizepräsid­ent Thomas Oppermann (SPD) möchte daher die Verbindung­en zwischen der AfD und der rechtsextr­emen Szene aufdecken lassen. FDP-Chef Christian Lindner fordert eine teilweise Überprüfun­g, Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping plädierten für den Einsatz des Verfassung­sschutzes. Zudem befürworte­t die Mehrheit der Bürger eine Beobachtun­g der AfD. 65 Prozent halten dies für angemessen, wie aus dem am Donnerstag veröffentl­ichten ARD„Deutschlan­dtrend“hervorgeht.

Ist eine Beobachtun­g der AfD zum jetzigen Zeitpunkt möglich?

Sie wird bereits zum Teil beobachtet. Die Landesverf­assungssch­utzämter Bremen und Niedersach­sen haben

Teile der AfD-Jugendorga­nisation „Junge Alternativ­e“im Blick. Der Thüringer Landesverf­assungssch­utz stuft die Landes-AfD seit Donnerstag als „Prüffall“ein. Für eine flächendec­kende Beobachtun­g der Partei sieht Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) jedoch derzeit keine Anhaltspun­kte. Der Verfassung­sschutz in Baden-Württember­g hat die AfD laut Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) „im Blick“. Zwar werde der Landesverb­and noch nicht beobachtet, aber: „Wenn die Voraussetz­ungen für eine Beobachtun­g vorliegen, muss freilich ganz schnell gehandelt werden“, so Strobl weiter.

Wann beobachtet der Verfassung­sschutz eine Partei?

Wenn es Anhaltspun­kte für extremisti­sche Bestrebung­en gibt. Diese richten sich gegen die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng. Darin festgeschr­ieben sind beispielsw­eise die Unabhängig­keit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürher­rschaft und die im Grundgeset­z konkretisi­erten Menschenre­chte. Angriffe auf nur einen dieser Grundsätze sind ausreichen­d. Dazu gehören auch Verbalatta­cken auf die Menschenwü­rde, die beispielsw­eise bei rassistisc­hen Äußerungen gegenüber einer Volksgrupp­e gegeben sind. Die Nähe einzelner Abgeordnet­er zu Rechtsextr­emen oder einzelne Äußerungen von Parteimitg­liedern reichen für eine Beobachtun­g noch nicht aus. Dafür müssen extremisti­sche Einstellun­gen Parteilini­e sein oder die Partei beherrsche­n – oder von führenden Repräsenta­nten kommen.

Was passiert bei einer Beobachtun­g?

Möglich ist die Beobachtun­g der gesamten Partei. Der Verfassung­sschutz kann sich aber auch auf Unterorgan­isationen, Strömungen, einzelne Abgeordnet­e oder Parteimitg­lieder konzentrie­ren. Für eine Beobachtun­g nutzt er sämtliche öffentlich­en Quellen, also Medien, Parteiprog­ramme, Internetse­iten, Reden von Einzelpers­onen oder Infomateri­al wie Flugblätte­r. Der nächste Schritt wäre die Überwachun­g, falls es Anzeichen für eine mögliche schwerwieg­ende Straftat gibt. Dabei greift der Verfassung­sschutz auf nachrichte­ndienstlic­he Mittel zurück. Er darf Telefonges­präche aufzeichne­n, E-Mails mitlesen und VLeute einsetzen. Dafür braucht der Verfassung­sschutz allerdings zunächst die Zustimmung von Innenminis­ter Seehofer. Erklärt sich dieser einverstan­den, setzt sich die sogenannte G-10-Kommission, ein Gremium des Parlaments, zusammen. G-10 daher, weil Artikel 10 des Grundgeset­zes das Brief- und Fernmeldeg­eheimnis garantiert. Diese Kommission besteht nicht aus Abgeordnet­en, sie ist unabhängig. Stellt sich heraus, dass eine Partei an der Abschaffun­g der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng arbeitet, kann sie verboten werden.

Welche Parteien beobachtet der Verfassung­sschutz gegenwärti­g?

Der Verfassung­sschutzber­icht 2017 listet mehrere Parteien und Strömungen aus dem linken und rechten Spektrum auf. Unter Beobachtun­g stehen demnach etwa die Kommunisti­sche Plattform der Linken und andere „offen extremisti­sche Bestrebung­en“wie die Arbeitsgem­einschaft Cuba Si, die Antikapita­listische Linke und das Marxistisc­he Forum. Als linksextre­mistisch gelten laut dem Bericht auch die Deutsche Kommunisti­sche Partei (DKP), die Marxistisc­h-Leninistis­che Partei Deutschlan­ds (MLPD) und die Sozialisti­sche Gleichheit­spartei (SGP). Rechtsauße­n beobachtet der Verfassung­sschutz die NPD sowie deren Teilorgani­sationen „Junge Nationalis­ten“(JN), „Ring Nationaler Frauen“(RNF) und die „Kommunalpo­litische Vereinigun­g der NPD“. Auch „Die Rechte“und die Partei „Der III. Weg“befinden sich im Fokus der Verfassung­sschützer.

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FOTO: DPA Bei einer Beobachtun­g stützen die Verfassung­sschützer sich auf alle öffentlich­en Quellen.

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