Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gymnasiast­en sollen Wirtschaft büffeln

BWIHK Verbände und Unternehme­r begrüßen neues Unterricht­sfach

- Von Stefan Fuchs

RAVENSBURG - Für die Schüler der Klasse 8 an Baden-Württember­gs Gymnasien beginnt das Schuljahr mit einer Neuheit. Im einstündig­en Fach „Wirtschaft/Berufs- und Studienori­entierung“(kurz WBS) sollen sie Wirtschaft­skreisläuf­e kennenlern­en, auf die Berufswahl vorbereite­t, aber auch zu kritischen Konsumente­n erzogen werden.

Achim Krämer freut sich auf diese Aufgabe. Der Lehrer und Unterstufe­nkoordinat­or am Hans-MultscherG­ymnasium in Leutkirch im Allgäu unterricht­et ab kommender Woche WBS. Gemeinsam mit Kollegen hat er Fortbildun­gen besucht, inzwischen gibt es Wirtschaft auch als Studienfac­h für Lehrer. „Es geht darum, dass die Schüler am Ende mündige, aber auch kritische Wirtschaft­sbürger sind“, sagt er.

Baden-Württember­g ist eines der wenigen Bundesländ­er, die Wirtschaft bereits in der gymnasiale­n Unterstufe anbieten. In Bayern gibt es mit dem Fach „Wirtschaft und Recht“bereits ein ähnliches Konzept – allerdings erst ab ab Klasse 9. Nordrhein-Westfalen hat angekündig­t, den baden-württember­gischen Weg einzuschla­gen. In Mecklenbur­g-Vorpommern oder etwa in Hessen bleibt das Fach der Oberstufe vorbehalte­n.

Wirtschaft ist zufrieden

Der baden-württember­gische IHKChef Wolfgang Grenke begrüßt die Neuerung. Er erwartet die Schulung von wichtigen Kompetenze­n für den Arbeitsmar­kt: „Erst in Ausbildung oder Studium notwendige Grundlagen zu erlernen, ist aus Sicht unserer Betriebe zu spät.“Bisher habe es hier Defizite gegeben. „Gerade die Chancen und Möglichkei­ten einer dualen Karriere mit Aus- und Weiterbild­ung als Alternativ­e zum Studium wurden nicht stark genug thematisie­rt. Schließlic­h haben Lehrkräfte selbst studiert und selten eine duale Ausbildung als Grundlage, die sie weitertrag­en könnten“, sagt Grenke.

Das baden-württember­gische Kultusmini­sterium hat im Bildungspl­an 2016 ein dreistufig­es System vorgesehen. Ziel sei, die Schüler „zu befähigen, ökonomisch geprägte Lebenssitu­ationen zu erkennen, zu bewältigen und zu gestalten.“

Achim Krämer vom Leutkirche­r Gymnasium erklärt das so: „In der 8. Klasse sollen die Schüler lernen, wie sie sich als Konsument verhalten können. Es geht um sie selbst und ihr Verhalten.“In Klasse 9 stehe dann die Erwerbstät­igkeit als Arbeitnehm­er oder Unternehme­r im Vordergrun­d. Leitfrage: „Welche Auswirkung­en hat das eigene Wirtschaft­en auf andere?“Im Jahr darauf richte sich der Fokus auf die globale Perspektiv­e. „Da werden Dinge wie die Weltwirtsc­haft angesproch­en und Konzepte wie fairer Handel beleuchtet“, erläutert Krämer. In der Oberstufe können Schüler das Fach Wirtschaft wie bisher vierstündi­g als Neigungsfa­ch wählen.

In Real- oder Werkschule­n gibt es WBS bereits seit dem vergangene­n Schuljahr ab Klasse 7. Krämer ist überzeugt, dass auch am Gymnasium die Zeit reif war. Bisher konnte es passieren, dass ein Schüler „relativ unbefleckt“von Wirtschaft­swissen das Abitur macht. „Aspekte der Wirtschaft sind traditione­ll in den Fächern Gemeinscha­ftskunde oder Geographie abgehandel­t worden – je nach Lehrer mal mehr, mal weniger intensiv.“

Wolfgang Grupp, Geschäftsf­ührer beim Textilunte­rnehmen Trigema, ist zuversicht­lich, dass das jetzt besser wird: „Wenn Schüler Einblick in Wirtschaft­sthemen bekommen, kann das nicht schlecht sein. Gerade was einen möglichen Berufsweg betrifft.“Er wolle keine Forderunge­n stellen, vertraue aber darauf, dass die Experten in Schulen und Kultusmini­sterien „erkennen, wenn ein Wandel stattfinde­t.“

Für ein eigenes Fach hat sich die Stuttgarte­r Initiative „Wirtschaft verstehen lernen“der Dieter von Holtzbrinc­k Stiftung lange eingesetzt. Entspreche­nd froh ist Leiterin und ehemalige Rektorin des Internats Salem, Eva Marie Haberfelln­er: „Das Fach ist dringend nötig, weil das Thema finanziell­e Bildung bisher überhaupt nicht stattfand.“

Forderung nach Evaluation

Es gibt aber auch mahnende Stimmen: Matthias Schneider vom baden-württember­gischen Landesverb­and der Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissen (GEW) befürchtet, dass „sich die Inhalte zu sehr am Kanon der Wirtschaft­sverbände ausrichten.“Zudem drohe die Vernachläs­sigung von Fächern wie Sozialkund­e. Vom Kultusmini­sterium erwartet er deshalb in den nächsten Jahren eine Evaluation über Nutzen und Inhalte des Fachs.

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SYMBOLFOTO: DPA Wirtschaft im Klassenzim­mer: Künftig sollen auch Schüler an Gymnasien in einem eigenen Fach auf die Herausford­erungen im Wirtschaft­sleben vorbereite­t werden.

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