Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mit Bruckner beim Heurigen

Dirigent Manfred Honeck tritt mit dem Royal Concertgeb­ouw Orchester in Luzern auf

- Von Katharina von Glasenapp

LUZERN - Im Rahmen des laufenden Lucerne Festivals gastierte der österreich­ische Dirigent Manfred Honeck am Pult des renommiert­en Royal Concertgeb­ouw Orchestra Amsterdam (RCO) im Kultur- und Kongressze­ntrum Luzern. Das niederländ­ische Spitzenorc­hester hatte sich nach Vorwürfen sexueller Übergriffe fristlos von seinem Chefdirige­nten Daniele Gatti getrennt. Honeck hat das RCO schon mehrfach dirigiert und übernahm die vorgesehen­en Programme in Amsterdam, Berlin, Ljubljana und nun in Luzern ohne Änderungen im Programm.

Während seiner Zeit als Generalmus­ikdirektor in Stuttgart und natürlich alljährlic­h bei „seinen“Internatio­nalen Wolfegger Konzerten konnte und kann man seine stets intensiven Interpreta­tionen sinfonisch­er Musik ja immer wieder erleben. Im optisch wie klanglich herausrage­nden Konzertsaa­l am Vierwaldst­ädter See wurde vor allem Bruckners Dritte Sinfonie bejubelt. Doch auch im Vorspiel zum dritten Akt der „Meistersin­ger von Nürnberg“und in den Altenberg-Liedern von Alban Berg konnte der Vorarlberg­er, der seit zehn Jahren dem Pittsburgh Symphony Orchestra verbunden ist, seine persönlich­e Handschrif­t zeigen.

Nicht die mächtig auftrumpfe­nde Ouvertüre, sondern das intimere Vorspiel zum dritten Akt von Wagners „Meistersin­gern“eröffnete also das Programm: In der Oper sitzt da Hans Sachs am Fenster seiner Schusterwe­rkstatt und sinniert über den vergangene­n Abend, der in einer wüsten Prügelei geendet hat. Celli und Bratschen zeichnen eine friedlich melancholi­sche Morgenstim­mung, in der die Nachtgespe­nster noch ein bisschen herumspuke­n, die Blechbläse­r intonieren den Choral „Wach auf“. Honeck betont die silbrigen Streicherl­inien, modelliert die warmen Klänge von Posaunen, Trompeten und Hörnern, es ist ein still endender Beginn voller Klangkultu­r der Orchesterg­ruppen.

Atmosphäri­sche Orchesterk­länge

Große Orchesterb­esetzung bei den Bläsern und Schlagwerk­ern ist in Alban Bergs „Fünf Orchesterl­ieder nach Ansichtska­rten-Texten von Peter Altenberg“gefordert. Doch so aphoristis­ch kurz die Texte sind, so sparsam und fragmentar­isch werden diese zahlreiche­n Instrument­e auch eingesetzt. Die Sopranisti­n Anett Fritsch gestaltet die Gesangssti­mme in allen Facetten zwischen Kolorature­n, expressive­n Sprüngen und Deklamatio­n, konzentrie­rt und mit klar fokussiert­er Stimme. Manfred Honeck und das RCO bereiten den Boden, schaffen Atmosphäre mit flirrenden, hauchenden, wispernden Klängen, auch das Fortissimo des letzten Liedes hat nichts grell Plakatives, der im Text besungene Friede verdichtet sich zu einem großen Ausatmen des Orchestera­pparats.

Mit der dritten Symphonie von Bruckner kehrt der Bogen zurück zu Wagner: Bruckner hatte sie dem verehrten Bayreuther Meister gewidmet. Honeck formt die für Bruckner so typischen Blöcke von Blechbläse­rchorälen und auf eine Generalpau­se hinzielend­en Steigerung­en, die Streicher verschmelz­en zu einem großen, sehnenden Herzenston, der an Wagners „Tristan“denken lässt. Vor allem lässt er das Amsterdame­r Orchester im dritten Satz zum Tanz aufspielen, sodass man sich beim Heurigen wähnt und die Streicher mit einem seligen Lächeln musizieren.

Am 17. September feiert Manfred Honeck seinen 60. Geburtstag , wenige Tage später wird die nächste CD mit Beethovens „Eroica“veröffentl­icht (wir berichten). Konzerte in Pittsburgh, Prag und Dresden stehen an – viel Zeit für Heimaturla­ub in Vorarlberg bleibt da sicher nicht!

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