Ein 0:0 als Mutmacher
Der DFB-Elf gelingt im ersten Spiel nach dem WM-Desaster ein stabiler Auftritt
●
MÜNCHEN - Den Funken entzünden, um ein Feuer zu entfachen. Das war das Ziel der deutschen Nationalelf im Spiel eins auf ihrer Tour namens Wiedergutmachung. Im strömenden Regen von München regte sich gestern Abend gegen Weltmeister Frankreich im ersten Spiel der neuen Nations League ein zartes Flämmchen, das vor allem in der Schlussphase erfreulich aufflackerte und die Herzen der Fans erwärmte. Der Wille, der Aufbruch und die Aufbruchstimmung ebenso, ein Neuanfang spürbar – nur das Ergebnis passte nicht ganz. 0:0. Immerhin.
Die Partie stellte für Thomas Müller eine „super Chance“dar – also hieß es: „Vive la chance!“Doch allein das Glück wollte nicht mitspielen. Marco Reus, Matthias Ginter, Mats Hummels und Müller vergaben gute Chancen. Tatsächlich zeigte man ein „völlig anderes Gesicht“wie das Bundestrainer Joachim Löw nach der verheerenden WM in Russland gefordert hatte. In der ersten Halbzeit noch weitgend defensiv, aber das sehr stabil, mit zunehmender Spieldauer auch immer mutiger, frecher, druckvoller. Die Mannschaft schaltete bei Ballgewinn schnell nach vorne um, kam zu Chancen. Ein Lerneffekt. Und so sagte Löw hinterher im ZDF: „Das Spiel stand unter besonderen Vorzeichen. Es war wichtig, eine Reaktion zu zeigen. Das hat die Mannschaft gut gemacht. Wir hätten gegen den Weltmeister das ein oder andere Tor erzielen können“. Vor allem lobte er die „defensive Stabilität“und „gute Organisation“.
Kimmich in neuer Rolle
Es war ein sehr warmer, freundlicher Empfang in der Allianz Arena für das DFB-Team, auch für Löw selbst. In der Südkurve wurde mit schwarzrot-goldenen Fahnen samt weißer Umrandung ein Herz geformt. Eine Menge Kredit 71 Tage nach dem Super-Gau, dem Vorrunden-Aus bei der WM.
Der Weltmeister brachte seine AElf mit Ausnahme von Torhüter Hugo Lloris, der verletzt fehlte. Für ihn im Tor: Alphonse Ariola, der eine formidable Länderspiel-Premiere feierte. Stuttgarts Benjamin Pavard und die Angriff-Athleten Antoine Griezmann und Kylian Mbappé waren natürlich auch dabei.
Das DFB-Team spielte komplett in weißem Outfit, im unschuldigen, demütigen Weiß. Überraschend die Aufstellung des Bundestrainers, die fast schon einem Paradigmenwechsel gleichkam. Auf den Scheiterhaufen der Geschichte mit der fast immergleichen Formation, mit dem sturen, von Löw selbst als „arrogant“gegeißelten Konzept des BallbesitzFußballs. Löw baute um – für mehr Sicherheit. In der Viererkette brachte der 58-Jährige vier gelernte Innenverteidiger, eine Reminiszenz an die erfolgreiche WM 2014, damals war von der „Ochsenabwehr“die Rede. Geblieben ist das Zentrum mit Jérôme Boateng und Mats Hummels, links machte Antonio Rüdiger die Seite zu und rechts Matthias Ginter. Für diese Rolle war zuletzt Joshua Kimmich gesetzt, der Junge aus Bösingen bei Rottweil fungierte im Spiel eins nach der Ära Mesut Özil als zusätzliche Absicherung im zentralen Mittelfeld – und machte seine Sache neben Leon Goretzka und Spielgestalter Toni Kroos gut. Vorne tauschten Thomas Müller, Marco Reus und Timo Werner ständig die Positionen. Denn auch das wollte Löw erarbeiten: Mehr Flexibilität, mehr Variabilität. Vor allem wollte er sehen: Demut und Defensive.
Verlieren war keine Option
Es entwickelte sich ein taktisches Duell. Hier die neue Spielideee, die eigentlich als altbacken galt, dort die siegreiche Spielidee der WM. Die DFB-Elf wollte nicht so dominant, sprich zu riskant, nach vorne spielen, die Franzosen erwarteten die Gastgeber mit der Gelassenheit des Weltmeisters in der eigenen Hälfte. Rasenschach, wenige Torchancen. Dafür Schwung, Einsatz, Laufarbeit. Aber der zentrale Gedanke war: Safety first.
„Die Fehler, die wir bei der WM gemacht haben, gerade in Spiel nach hinten, wollen wir nicht noch einmal machen“, meinte Teammanager Oliver Bierhoff vor der Partie. Bei diesem neuen UEFA-Wettbewerb hat man ja auch etwas zu verlieren. Der schwächste der Dreier-Gruppe (mit den Niederlanden) steigt in die B-Liga der Nations League ab und das will kein Weltmeister, ob der ehemalige oder aktuelle. Verlieren war also keine Option – denn wer spielt schon gerne gegen den Abstieg, wenn man schon gegen den alten Trott ankämpft wie die deutsche Mannschaft?
„Es ging heute auch auch darum, uns den Kredit, den wir vespielt haben im Sommer, Stück für Stück zurückzuerholen. Das war der erste Schritt“, fasste Thomas Müller zusammen.
Diese Partie war ein Mutmacher. Trotz des 0:0.
Deutschland: Neuer – Ginter, Boateng, Hummels, Rüdiger – Kimmich – Goretzka (66. Gündogan), Kroos Müller, Werner – Reus 83. Sané).– Frankreich: Areola – Pavard, Varane, Umtiti, Hernandez, Pogba, Kanté – Mbappé, Griezmann (80. Fekir), Matuidi (85. Tolisso) – Giroud (66. Dembélé). – Tore: – Zuschauer: 67.485.