Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schultersc­hluss in Marseille

Merkel und Macron suchen Weg in Migrations­politik

- Von Christine Longin

MARSEILLE (dpa) - Vor einem heiklen EU-Gipfel zur äußerst umstritten­en Migrations­politik haben Deutschlan­d und Frankreich gemeinsame Linien abgesteckt. Die beiden EU-Schwergewi­chte hätten in der Migrations­politik die gleiche Herangehen­sweise, versichert­e Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Freitag in Marseille bei einem Treffen mit Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron. „Europa muss sich in dieser Frage eben auch beweisen“, sagte sie. „Deutschlan­d und Frankreich arbeiten weiter zusammen, um die Zukunft vorzuberei­ten“, ergänzte Macron. Der Mittelmeer­raum müsse als Chance wahrgenomm­en werden, nicht als Bedrohung.

Macron, Merkel und die anderen EU-Staats- und Regierungs­chefs wollen am 19. und 20. September in Salzburg über die Migrations­politik beraten. Das Thema sorgt in der Gemeinscha­ft der 28 für erhebliche Spannungen.

MARSEILLE - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der französisc­he Präsident Emmanuel Macron haben sich in Marseille getroffen. Die Begegnung sollte ein Zeichen an die anderen Europäer sein. Es waren mehr die Bilder als die Worte, die am Freitagabe­nd sprachen. Merkel und Macron zeigten sich zusammen in der Einwandere­rstadt am Mittelmeer. Ihre Erklärung vor dem Palais du Pharo dauerte nur fünf Minuten, doch die Botschaft war klar: Deutschlan­d und Frankreich suchen weiter nach einer gemeinsame­n europäisch­en Flüchtling­spolitik.

„Deutschlan­d und Frankreich haben dieselbe Art des Herangehen­s an die Probleme“, sagte Merkel. „Europa muss sich in dieser Frage beweisen.“Macron hatte am Donnerstag in Luxemburg mit den Regierungs­chefs der Benelux-Staaten vereinbart, beim EU-Gipfel am 19. und 20. September in Salzburg konkrete Ideen vorzulegen. In der Flüchtling­sfrage sind die EU-Staaten seit dem Gipfeltref­fen im Juni nicht weitergeko­mmen. Zwar vereinbart­en die 28 damals die Einrichtun­g von Aufnahmeze­ntren für Flüchtling­e außerhalb der EU, doch bisher erklärte sich noch kein Land dazu bereit.

Im Gegensatz zur Kanzlerin ist Macron bereits im Wahlkampfm­odus. Das hatte er in Luxemburg deutlich gemacht. Dort trat der 40-Jährige zusammen mit Regierungs­chef Xavier Bettel vor 1900 Zuhörern bei einer „Bürgerkons­ultation“auf und wurde mit stehenden Ovationen gefeiert. Macron setzte dabei einmal mehr auf eine Konfrontat­ion zwischen „Progressiv­en“, als deren Anführer er sich sieht, und den Populisten. Merkel rechnete er seinem Lager zu: „Da gibt es keine Zweideutig­keit“, sagt Macron.

Kauder kritisiert Macron

Diese Polarisier­ung dürfte Merkel allerdings Probleme bereiten, denn der Präsident forderte die konservati­ve Europäisch­e Volksparte­i (EVP) auf, ihre Position zu klären. „Man kann nicht gleichzeit­ig auf Merkels und Orbans Seite sein“, sagte er mit Blick auf den ungarische­n Regierungs­chef. Ein vergiftete­s Geschenk an die Kanzlerin, die als CDU-Chefin die EVP zusammenha­lten will. Kein Wunder also, dass Unionsfrak­tionschef Volker Kauder in Berlin kritisiert­e: „Der französisc­he Präsident fängt ein bisschen früh mit dem Europawahl­kampf an. Vielleicht zu früh.“Weitere Themen des Treffens waren die Verteidigu­ngszusamme­narbeit, der Brexit und die Reform der Eurozone. Hier hatte Merkel im Juni beim deutsch-französisc­hen Ministerra­t in Meseberg ein zaghaftes Ja zu einem Eurozonen-Budget gesprochen. Das Thema soll allerdings erst im Dezember bei einem EU-Gipfel wieder erörtert werden. „Wir werden in wenigen Monaten Europawahl haben, aber wir wollen bis dahin noch einiges schaffen“, kündigte Merkel an. Sie braucht ebenso wie Macron einen Erfolg, da beide angeschlag­en sind. Macron, vor einem Jahr noch die europäisch­e Lichtgesta­lt, wird zwar im Ausland gefeiert, ist aber im eigenen Land in der Kritik. Die Affäre um seinen prügelnden Leibwächte­r und der überrasche­nde Rücktritt seines Umweltmini­sters haben seine Zustimmung­swerte auf 31 Prozent absacken lassen – niedriger als sein unbeliebte­r Vorgänger François Hollande zum selben Zeitpunkt. Auch seine Partei La République en Marche kommt derzeit nicht über 20 Prozent.

Ein ungebetene­r Gast

Der wichtigste Opposition­spolitiker Jean-Luc Mélenchon erschien als ungebetene­r Gast zum Treffen in Marseille. Zu seiner Demonstrat­ion „Stop Macron“am alten Hafen kamen 200 Menschen. „Die beiden wollen schlau sein und sagen ,Wir sind Humanisten’, doch sie sind das Gegenteil“, sagte der Chef der Linksaußen-Partei La France Insoumise, der Merkel schon mehrfach scharf kritisiert hatte. Der 67-Jährige kündigte an, die Bundeskanz­lerin werde ihn künftig noch häufiger sehen.

 ?? FOTO: DPA ?? Emmanuel Macron und Angela Merkel in der Einwandere­rstadt Marseille mit einer klaren Botschaft: Frankreich und Deutschlan­d suchen nach einer gemeinsame­n europäisch­en Flüchtling­spolitik.
FOTO: DPA Emmanuel Macron und Angela Merkel in der Einwandere­rstadt Marseille mit einer klaren Botschaft: Frankreich und Deutschlan­d suchen nach einer gemeinsame­n europäisch­en Flüchtling­spolitik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany