Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Großdemons­tration gegen Idlib-Offensive

- Von Susanne Güsten, Istanbul

DAMASKUS (dpa) - Tausende Menschen in der syrischen Provinz Idlib haben gegen die erwartete Militäroff­ensive auf die Rebellenho­chburg protestier­t. In der gleichnami­gen Provinzhau­ptstadt hielten Demonstran­ten am Freitag Banner hoch mit Aufschrift­en wie: „Ich bin ein Bürger Idlibs, und ich habe das Recht, in Würde zu leben.“

N● ach dem Syrien-Gipfel vom Freitag in Teheran gibt es kaum Hoffnung darauf, dass Russland, Iran und die syrische Regierung ihren geplanten Angriff auf die Provinz Idlib doch noch absagen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan scheiterte bei dem Treffen mit den Staatschef­s von Russland und Iran, Wladimir Putin und Hasan Ruhani, mit einem Vorschlag für eine Waffenruhe. Die Differenze­n der Staatschef­s vor laufenden Kameras zeigt die Interessen­gegensätze der drei Staaten. Noch am Tag des Gipfels gab es in Idlib erneut Luftangrif­fe.

Putin bekräftigt­e, es sei das Recht der syrischen Regierung, Idlib wieder unter Kontrolle zu bringen. In der Provinz an der türkischen Grenze leben drei Millionen Menschen, von denen viele aus anderen Teilen Syriens geflohen waren. In Idlib harren zudem mehr als zehntausen­d Kämpfer radikal-islamische­r Milizen aus. Die UN warnen vor schweren Folgen einer militärisc­hen Offensive auf die Stadt. Es drohe eine humanitäre Katastroph­e, wie es sie in sieben Jahren Syrienkrie­g nicht gegeben habe, sagte der für die Hilfseinsä­tze zuständige Direktor der UN-Nothilfeko­ordination, John Ging, am Freitag vor dem UN-Sicherheit­srat in New York. Die mögliche Massenfluc­ht von Millionen Menschen werde die UN und andere Helfer überforder­n.

Erdogan versuchte, seine Gesprächsp­artner von einer Waffenruhe zu überzeugen. Die Türkei schlug zudem vor, die gefährlich­sten Rebellengr­uppen in Idlib an Angriffen auf den russischen Luftwaffen­stützpunkt Hmeimim zu hindern. Putin betonte jedoch in der vom iranischen Staatsfern­sehen übertragen­en Diskussion, eine Waffenruhe sei nicht realistisc­h. Zudem dürften „Terroriste­n“nicht geschont werden. Türkische Fernsehsen­der meldeten, Russland habe den iranischen Gastgebern wegen der TV-Übertragun­g Vorwürfe gemacht.

Putins Absage an eine Waffenruhe

In der Schlusserk­lärung des Gipfels hieß es zwar, die drei Staaten wollten sich im „Geiste der Zusammenar­beit“mit der Lage in Idlib auseinande­rsetzen. Doch Putins Absage an eine Waffenruhe in der Provinz lässt Schlimmes befürchten. Nach Opposition­sangaben protestier­ten am Freitag Tausende Menschen in Idlib gegen die geplante Offensive. Kampfflugz­euge griffen Stellungen von Rebellen im Süden der Provinz an.

Putin sprach in Teheran von einem Vorgehen in mehreren Phasen: Rebellen, die mit der syrischen Regierung Frieden schließen wollten, würden die Gelegenhei­t dazu erhalten. Zudem müsse die Zivilbevöl­kerung geschützt werden. Allerdings zeigt die Erfahrung aus den Kämpfen der vergangene­n Monate in anderen Landesteil­en Syriens, dass kaum Rücksicht auf Zivilisten genommen wird.

Erdogan sagte, eine Offensive in Idlib wäre das Ende des politische­n Prozesses, bei dem die drei Staaten über eine Nachkriegs­ordnung für Syrien sprechen. Schon vor dem Gipfeltref­fen hatten sich zudem neue Spannungen zwischen Russland und den USA abgezeichn­et. US-Regierungs­vertreter berichtete­n von Beweisen dafür, dass die syrische Regierung in Idlib den Einsatz von Chemiewaff­en vorbereite. Sollte es dazu kommen, würde der Westen voraussich­tlich mit Luftangrif­fen reagieren. US-Präsident Donald Trump hatte im Frühjahr den baldigen Abzug der rund 2000 in Syrien stationier­ten US-Soldaten verkündet, doch diese Anordnung werde zurückgeno­mmen, meldete die „Washington Post“unter Berufung auf Regierungs­kreise.

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