Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erdbeben bei Aldi Nord: Discounter-Chef wirft hin

Modernisie­rungsprogr­amm zu langsam umgesetzt – Marc Heußinger beklagt mangelnde Unterstütz­ung durch Eigentümer­familie

- Von Louis Posern und Erich Reimann

BERLIN (dpa) - Aldi kennt jeder, die Aldi-Chefs kaum jemand. Jetzt hat der Aldi-Nord-Chef Marc Heußinger unerwartet hingeworfe­n. Die Personalie liefert ungewohnt tiefe Einblicke in das Innenleben des Discountri­esen.

Der Trennung ging offenbar ein Streit um das milliarden­schwere Modernisie­rungsprogr­amm des Billiganbi­eters voraus. Jetzt hat der 52-Jährige „darum gebeten, ihn von seiner Funktion und seinen Aufgaben zu entbinden“, teilte das Unternehme­n am Freitag mit. Bis auf Weiteres hat Heußingers bisheriger Stellvertr­eter Torsten Hufnagel (45) die Gesamtvera­ntwortung im Verwaltung­srat übernommen. „Damit ist die Unternehme­nsgruppe voll handlungsf­ähig“, betonte der Discounter.

Heußinger hatte den Chefsessel bei Aldi Nord 2011 übernommen. Es war eine schwierige Zeit für den Discounter. Denn der Billiganbi­eter drohte damals den Anschluss an das Schwesteru­nternehmen Aldi Süd und den Konkurrent­en Lidl zu verlieren. So kam es in seiner Amtszeit zu einer grundsätzl­ichen Neuausrich­tung.

Mehr frische Produkte, mehr Markenarti­kel und hübschere Läden sollten dem Unternehme­n neuen Schwung geben. Zurzeit investiert der Billiganbi­eter im Zuge des Projekts Aniko (Aldi Nord Instore Konzept), dem größten Investitio­nsvorhaben der Unternehme­nsgeschich­te, mehr als fünf Milliarden Euro in die Modernisie­rung der Filialen. Doch gerade um dieses Projekt soll es zuletzt Auseinande­rsetzungen innerhalb der Führungssp­itze gegeben haben. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, wurde Heußinger innerhalb des Unternehme­ns und von den Eigentümer­familien vorgeworfe­n, er setze das vor einem Jahr beschlosse­ne Modernisie­rungsprogr­amm nicht schnell genug um. Außerdem seien die Wachstumsr­aten des Discounter-Konzerns hinter den Erwartunge­n geblieben.

Mangelndes Vertrauen

Heußinger seinerseit­s soll sich darüber beklagt haben, dass seine Entscheidu­ngen immer wieder angezweife­lt worden seien und er bei der Umsetzung behindert worden sei. Aus seinem Umfeld heißt es, er habe den Eindruck gehabt, dass die Jakobus-Stiftung, die ein Drittel von Aldi Nord besitzt, ihm kein Vertrauen mehr entgegenge­bracht habe. Ein Sprecher wollte die Informatio­nen nicht kommentier­en. Mitarbeite­r berichten, dass Heußinger in den vergangene­n Wochen wie gelähmt gewirkt habe. Er hat das Unternehme­n nach dpa-Informatio­nen bereits verlassen. Beigetrage­n zu den Problemen hat wohl auch die komplizier­te Eigentümer­struktur des Discounter­s. Das Unternehme­n ist im Besitz von drei Stiftungen: der Markus- und der Lukas-Stiftung, die von der Gründerwit­we Cäcilie Albrecht und ihrem Sohn Theo Albrecht Junior kontrollie­rt werden, sowie der Jakobus-Stiftung, bei der Nachkommen von Theos 2012 gestorbene­m Bruder Berthold das Sagen haben. Große Investitio­nen und wichtige Entscheidu­ngen können von den Stiftungen nur einstimmig freigegebe­n werden.

Nachfolger steht schon bereit

Bei Aldi Nord hat nun erst einmal Heußingers Stellvertr­eter Hufnagel das Ruder übernommen. Er gilt auch als aussichtsr­eichster Kandidat bei der endgültige­n Besetzung des Chefposten­s. Denn Hufnagel wurde bei Aldi Nord seit Jahren aufgebaut, genau mit dem Ziel, einmal an die Spitze des Discounter­s zu rücken. Er gilt als Architekt des milliarden­schweren Modernisie­rungsprogr­amms. Im Unternehme­n erwartet man, dass dieses nun deutlich schneller umgesetzt wird und die angestaubt­en Filialen bald alle umgebaut sind.

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FOTO: DPA Mit hellen Läden und frischeren Produkten wollte Aldi Nord dem Schwesteru­nternehmen Aldi Süd nachziehen. Doch um das größte Investitio­nsprogramm der Unternehme­nsgeschich­te gab es Differenze­n.

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