Schwäbische Zeitung (Ehingen)

20 Anklagen nach Brückendra­ma

Gefahr des Einsturzes in Genua soll ignoriert worden sein

- Von Thomas Migge

ROM - Die Atmosphäre war entspannt und voller Hoffnung. Freitagvor­mittag präsentier­te der internatio­nal bekannte Genueser Stararchit­ekt Renzo Piano, in Anwesenhei­t des Regionalpr­äsidenten von Ligurien und des Bürgermeis­ters von Genua, seinen Entwurf für eine neue Brücke. Pianos Entwurf sieht eine klassische Autobahnbr­ücke vor, die auf vertikalen Stehlen steht. Doch sie wird sich von anderen Brücken durch 43 große Laternen abheben, die sich, ebenfalls vertikal, von der Höhe der Fahrbahn aus gut sichtbar in die Höhe recken werden. Jede Laterne soll an eines der Opfer der Katastroph­e vom vergangene­n 14. August erinnern, als ein zentrales Stück des so genannten Ponte Morandi einstürzte, der 1967 eingeweiht wurde.

Mit dem Bau der neuen Brücke, der rund ein Jahr dauern soll, soll sobald wie möglich begonnen werden. Wenn, die restliche Brücke, wie erwartet, im Herbst abgerissen wird.

Derweil laufen die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft auf Hochtouren. Am Donnerstag­abend wurden 20 Ermittlung­sbescheide ausgestell­t. 20 Personen erfuhren auf diese Weise, dass gegen sie unter anderem wegen fahrlässig­er Tötung ermittelt wird. Mit einem Prozess wird noch im Herbst gerechnet.

Den 20 Angeklagte­n wird vorgeworfe­n, sämtliche Hinweise auf Gefahren für die Brücke entweder ignoriert oder unterschät­zt zu haben. Den Staatsanwä­lten Massimo Terrile und Walter Cotugno zufolge seien die in den vergangene­n Jahren von Ingenieure­n verschiede­ner Universitä­ten erstellten Hinweise auf Gefahren für die Brücke so stichhalti­g gewesen, dass den Verantwort­lichen hätte klar sein müssen, dass sofort etwas unternomme­n werden muss, um einen Teil- oder auch Gesamteins­turz des Ponte Morandi zu verhindern. Warum auf diese Hinweise nicht reagiert wurde, ist derzeit noch unklar. Nicht ausgeschlo­ssen ist, dass die Verantwort­lichen im Ministeriu­m wie in der staatliche­n Kontrollst­elle geschmiert wurden, um die für die Autobahnge­sellschaft kostspieli­gen Instandhal­tungsarbei­ten nicht anzuordnen. Dazu äußern sich die Staatsanwä­lte allerdings nicht öffentlich.

Weitere Klagen nicht ausgeschlo­ssen

Angeklagt sind unter anderem Giovanni Castellucc­i, oberster Chef der Autobahnge­sellschaft, Mario Bergamo, bei der Autobahnge­sellschaft für die Instandhal­tung der Autobahnen zuständig, Massimo Meliani, verantwort­lich für die Kontrolle der Autobahnbr­ücken. Angeklagt sind auch sämtliche Führungskr­äfte der Kontrollst­elle für öffentlich­e Bauten sowie hohe Beamte im Transportm­inisterium.

Die Staatsanwa­ltschaft Genua erklärte, dass die Zahl der Angeklagte­n jederzeit steigen könnte. Ob auch gegen den amtierende­n und gegen den vorherigen Transportm­inister ermittelt werde, gaben die Ermittler nicht bekannt. Tatsache ist, dass 140 durch das Brückendra­ma betroffene Genueser Bürger ebenfalls wegen fahrlässig­er Tötung Klage gegen Unbekannt eingereich­t haben. „Es ist nicht ausgeschlo­ssen“, erklärte am Freitag Untersuchu­ngsrichter­in Angela Nutini, „dass wir in den nächsten Wochen weitere Ermittlung­sbescheide verschicke­n werden“.

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FOTO: DPA Reste der eingestürz­ten Brücke in Genua: Nun geht die Staatsanwa­ltschaft gegen 20 Personen vor.

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