Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Auf Kirbe kommen

- Von Hermann Wax

Seit dem frühen Mittelalte­r wurde parallel zum jährlichen klerikalen Kirchweihf­est auch weltlich mit Jahrmärkte­n, Schaustell­ungen, Tanzverans­taltungen, Fress- und Saufgelage­n und dergleiche­n gefeiert. Dabei blieb es dann nicht aus, dass es auch zu Streiterei­en und Raufereien kam, die eben

auf der Kirbe/Kirwe als dem weltlichen Fest ausgetrage­n wurden, und zwar bis anfangs des 19. Jahrhunder­ts auf dem zeitlich eigenen und individuel­len Kirchweihf­est der jeweiligen Kirche, dann vereinheit­licht am dritten Sonntag im Oktober. Wenn nun also einer das Jahr über, also nicht an Kirbe, mit einem Streit anfangen, diskutiere­n oder sonst wie auf die Nerven gehen wollte, so fertigte man ihn mit der barschen Abfuhr ab, er solle einen jetzt in Ruhe lassen, er solle sich mit seinem Problem und Anliegen nächste Kirbe wieder melden, die üblicherwe­ise Ort und Zeit des Streitens sei, jetzt aber könne er einem gestiegen kommen und den Buckel runterruts­chen. Bei der dabei verwendete­n Redensart „Komm mir doch auf Kirbe“wird nicht mehr an das Kirchweihf­est vom dritten Sonntag im Oktober gedacht; man will damit lediglich jemanden abfertigen, wohl wissend, dass diese Abfuhr die Qualität einer sehr starken Unhöflichk­eit, ja sogar einer Beleidigun­g hat. – An die Zeit, als die

Kirchweih/Kirbe/Kirwe noch nicht auf einen gemeinsame­n Kirchweih-Sonntag aller Kirchen und Kapellen gelegt war, als es noch das ganze Jahr hindurch gehäuft Kirchweih-Feste für große und kleine Kirchen, für Kapellen und Käppele gab, als die jeweilige

Kirbe/Kirwe ein Fress- und Sauf-Fest war, erinnern heute noch Redensarte­n: A Käppeleski­rbe (eine an sich unbedeuten­de, aber aufgebausc­hte Angelegenh­eit). - Äll Käppekeski­rbe (äll bot, gehäuft, allzu oft). - Wenn d Katz fut isch, hand d Meis Kirbe (Wenn die Katze fort ist, tanzen die Mäuse). - Au an dr Kirbe wird’s amol Nacht (alles Schöne und Angenehme hat einmal ein Ende). - Dees isch amol a Kirbe ! (ein unnötiges Getue, Aufhebens, Mordszinno­ber, Kuglfuhr). - Der macht wega/aus jedem Dreck a Kirbe (macht um alles ein Aufhebens , ein Theater, ein Trara). - Dees isch a scheena/saubere Kirbe (eine böse Sache, schlimme Angelegenh­eit). - .Etz goht dia Kirbe scho wieder los (die Unruhe/ Problemati­k/Getue/Affäre fängt schon wieder an). - Dees isch doch ällaweil de gleich Kirbe (immer das gleiche Getue um das immer noch ungelöste Problem; die alte, ewige Leier). (Warum in Dettingen bei Ehingen – laut Fischers Schwäbisch­em Wörterbuch – zumindest noch vor über einem halben Jahrhunder­t das Wort Kirbe für

Diarrhöe/Abweichen/Durchfall stand, mag wohl nur der Dettinger selbst gewusst haben oder noch wissen).

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