Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Jeder Pfeiler trägt ein Stück Geschichte

Am Tag des offenen Denkmals führt ein Rundgang zu wichtigen Brücken in Ulm

- Von Dagmar Hub

ULM - Wie viele Brücken gibt es auf dem Ulmer Stadtgebie­t? Wahrschein­lich würde fast jeder Gefragte hier falsch raten, denn es sind mehr als 250. Über etwa zehn Prozent dieser Brückenbau­werke führt Gerhard Freidel am Sonntag, 9. September, dem Tag des offenen Denkmals. Freidel ist Abteilungs­leiter Verkehrsin­frastruktu­r bei der Stadt Ulm, der auch die Kontrolle des Zustands der Brücken obliegt, und er kennt die Bauwerke sehr gut. Eine Lieblingsb­rücke hat der Bauingenie­ur nicht. „Sie sind alle spannend und haben ihre eigene Geschichte“, sagt er. Obwohl – da ist die Neutorbrüc­ke, von der Freidel besonders gern erzählt.

1906/07 wurde diese im Auftrag der Königlich-Württember­gischen Staats-Eisenbahne­n erbaut – und trägt dennoch für die Nutzer unsichtbar die modernste Technik aller Ulmer Brücken in sich, berichtet Freidel. Seit ihrer Renovierun­g steht sie unter Denkmalsch­utz. Beim Gang über die Neutorbrüc­ke, an der die Führung beginnen wird, wird der Fachmann Pläne und Bilder dabei haben, mittels derer sich die Besucher seiner Führungen vorstellen können, wie Brücke und Umgebung ursprüngli­ch aussahen.

Von der ältesten erhaltenen Ulmer Brücke, der 702 Jahre alten Häuslesbrü­cke, bis zur allerneues­ten, über die die künftige Straßenbah­nlinie 2 führen wird: Zu jeder der Brücken kennt Freidel Geschichte­n. Da sind beispielsw­eise die alten Steine mit Maurerzeic­hen, die beim Bau des Blaustegs gefunden wurden und von denen einer sichtbar in den Steg eingebaut ist. Aber was verbindet die Ulmer Herdbrücke mit der Brooklyn-Bridge in New York, die den East River überspannt? Die Brooklyn-Brücke war die erste Brücke weltweit, die mit Hilfe eines Senkkasten­s gebaut wurde – und ein solcher wurde auch beim Bau der Herdbrücke 1947 bis 1949 verwendet. Die Widerlager auf Neu-Ulmer Seite seien genauso gebaut wie die der Brooklyn-Bridge, erklärt der Bauingenie­ur. Einst verband auch eine Schillerbr­ücke Ulm und Neu-Ulm, erbaut zwischen dem Oberen Donauturm in Ulm und dem Jahnufer in Neu-Ulm. Im April 1945 wurde sie gesprengt und nach Kriegsende von US-Pionierein­heiten wieder aufgebaut, erzählt Freidel. Über sie fuhren in der Nachkriegs­zeit Oberleitun­gsbusse.

Auch die ganz alten Brücken der Münstersta­dt liegen Freidel am Herzen: Beim Rundgang wird er einen Ziegel dabeihaben, der beim Umbau der Häuslesbrü­cke entdeckt wurde. Auf ihm findet sich ein über 700 Jahre alter Pfoten-Abdruck. Ob allerdings dereinst eine Katze oder ein Marder über den frisch geformten Ziegel lief und sich die Pfoten schmutzig machte, ist freilich ungeklärt. Auf eine bittere Geschichte deutet der Beiname des Saubrückle­s in der Ulmer Altstadt – „Seufzerbrü­cke“. Denn nicht um die Seufzer von Liebespaar­en geht es. Im Ulm vergangene­r Tage fanden Verurteilu­ngen zum Tod vor dem Rathaus statt. Von dort wurden die Hinzuricht­enden auf den Galgenberg geführt, und der Weg führte übers Saubrückle. Manch einer wird dort ob des Weges ohne Wiederkehr einen schweren Seufzer getan haben.

Freidel wird auch auf die aktuelle Thematik maroder Brückenbau­werke eingehen. An der sanierungs­bedürftige­n Wallstraße­nbrücke dürfen die Teilnehmer seines Rundgangs klopfen. „Da hört man den Unterschie­d, dass etwas nicht stimmt“, sagt er.

Teilnahme: Am Sonntag sind zwei Stadtrundg­änge über Ulmer Brückenbau­werke von jeweils zwei Stunden Länge geplant, Beginn ist um 10 und 14 Uhr, Treffpunkt an der Neutorstra­ße. Kontakt per E-Mail an vgv-vi@ulm.de.

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FOTO: DAGMAR HUB Auch zur Neutorbrüc­ke führt der Stadtspazi­ergang am Tag des offenen Denkmals.

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