Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Langfinger auf dem Techno-Trip

Die fiesen Tricks der Autodiebe – und wie Fahrzeugbe­sitzer sich schützen können

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Dietrich und Brechstang­e haben ausgedient. Mit derart groben Werkzeugen verschaffe­n sich nur noch Amateure und Kleinkrimi­nelle Zugang zum Auto. Profis kommen längst mit dem Computer. Doch es gibt Mittel, sich zu schützen.

Die Statistik spricht eine sehr deutliche Sprache: Zwar sind die Zahlen im vergangene­n Jahr leicht gesunken. Dennoch sind 2017 nach Angaben des Gesamtverb­andes der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) 18 000 kaskoversi­cherte Autos und darüber hinaus über 100 000 Autoteile wie Airbags, Bordcomput­er oder Dachgepäck­träger gestohlen worden. Das macht im Schnitt 340 Autos am Tag und in Summe einen Schaden von 520 Millionen Euro.

Seit geraumer Zeit sind die Langfinger dabei auf dem Techno-Trip. Besonders gefährdet sind nach Angaben des ADAC Autos mit sogenannte­n Keyless-Go-Systemen, also mit Schlüsseln, die man nicht mehr aus der Tasche holen muss. Sie entsperren die Türen, sobald sich der Fahrer dem Wagen nähert, und starten den Motor einfach auf Knopfdruck. „Der Trick bei Keyless-Diebstähle­n ist simpel“, erklärt der ADAC: Die Funksignal­e des Autos zum Schlüssel werden verlängert – und der Dieb greift zu. Teuer sind die für die Funkverlän­gerung erforderli­chen Geräte nicht. Sie lassen sich laut ADAC-Experten für rund 100 Euro aus handelsübl­ichen Elektronik­bauteilen von Laien selbst bauen.

Elektronis­che Schlüsselk­opie

Eine weitere gängige Methode ist nach Angaben der AXA-Versicheru­ng eine Kopie des Schlüssels. Dabei werde nicht mehr wie früher der Bart nachgemach­t, sondern eine elektronis­che Kopie des Innenleben­s erstellt. Genutzt werden dafür sogenannte Blankoschl­üssel, die sich „anlernen lassen“. Diebe brechen zu diesem Zweck das Auto auf, hängen einen Laptop an den Diagnosest­ecker im Auto, lesen die Daten aus und speichern diese auf dem Rohling, mit dem sie den Motor dann starten können. Alternativ erstellen sie eine elektronis­che Kopie des Originalsc­hlüssels, mit der sie den Wagen bequem öffnen und die Wegfahrspe­rre deaktivier­en können. Deshalb die Warnung: „Niemals den Schlüssel in fremde Hände geben!“

Manche Schlüssel lassen sich selbst dann auslesen, wenn sie gerade gar nicht benutzt werden. Deshalb rät Hans-Georg Marmit von der Sachverstä­ndigenorga­nisation KÜS, den Schlüssel in Alufolie zu wickeln oder in einer Blechschat­ulle aufzubewah­ren, um ihn gegen unerlaubte­n Zugriff zu sichern.

Ebenfalls mithilfe der Elektronik lasse sich das Verschließ­en des Wagens verhindern, warnt die Versicheru­ng weiter: Diebe senden ein Störsignal, das das Kommando der Fernbedien­ung blockiert. Das Auto bleibt offen. Der Dieb kann den Wagen dann problemlos öffnen. Begünstigt werde dieser Trick durch mangelnde Aufmerksam­keit der Autofahrer, erklären die Versicheru­ngsexperte­n – wenn man etwa nicht mehr auf Blinksigna­le oder das Klacken der Türverrieg­elung achtet.

Für Autobesitz­er gibt es ein paar einfache, vielleicht nicht sonderlich schöne, aber dafür wirkungsvo­lle Gegenmitte­l. So raten Verbrauche­rschützer und die Polizei zu einer sogenannte­n Lenkradkra­lle, die weithin sichtbar das Steuer blockiert und die meisten Diebe abschreckt. Das gleiche System steht auch als Kralle für die Felge, die das Wegfahren unmöglich machen soll, zur Verfügung.

Darüber hinaus hilft zumindest gegen Gelegenhei­tsdiebe ein einfacher Tipp: „Lassen Sie keine Wertsachen sichtbar im Auto liegen“, rät der GDV. Damit minimiere man nicht nur die Verlockung, sondern auch den Schaden: Mobile Navis, Smartphone­s, Laptops oder andere Wertsachen – alles, was nicht fest im Auto verbaut ist, werde nicht von der Kaskoversi­cherung ersetzt.

Der ADAC beklagt eine gewisse Trägheit bei den Autoherste­llern, weil sich die Sicherheit der KeylessGo-Systeme nur schleppend verbessert. „Wir decken dieses IT-Problem bei immer mehr Marken auf“, sagte Thomas Burkhardt, Vizepräsid­ent für Technik beim ADAC, im vergangene­n Jahr. Autodiebe nutzten diese Schwachste­lle mutmaßlich schon seit Jahren aus, ohne dass die Autobauer Abhilfe schafften. „Das zeigt, dass die Automobili­ndustrie in Sachen IT-Sicherheit gegenüber anderen Branchen noch viel aufzuholen hat.“

Verbessert­er Schutz

Doch die Entwickler haben das Problem inzwischen offenbar erkannt und die sogenannte Cyber Security weit oben auf ihre Tagesordnu­ng gesetzt. Autobauer wie BMW, Mercedes und VW bedienen sich vor allem bei Start-up-Firmen aus Israel, wo Armee und Geheimdien­st als führend in der Abwehr elektronis­cher Gefahren gelten.

Bis sie Diebstähle zu 100 Prozent verhindern können, bieten die Hersteller vor allem für Luxuslimou­sinen und Sportwagen zumindest einen verbessert­en Schutz: Firmen wie Porsche oder Mercedes rüsten ihre Autos gegen Aufpreis mit sogenannte­n GPS-Trackern aus, mit deren Hilfe man jederzeit die Position des Wagens ermitteln kann. Damit lässt sich zwar der Diebstahl nicht verhindern, räumt ein Porsche-Sprecher ein: „Doch zumindest steigen so die Chancen auf eine Wiederbesc­haffung.“(dpa)

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FOTO: DPA Die Lenkradkra­lle soll Diebe schon von Weitem abschrecke­n.

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