Gottsucher
In der Lebensplanung von Kardinal Reinhard Marx, seit 2007 Erzbischof von München und Freising und seit 2014 Vorsitzender der deutschen katholischen Bischofskonferenz, war eine Aufgabe sicher nicht vorgesehen: die des kirchlichen Krisenmanagers. Doch der gebürtige Westfale, der heute seinen 65. Geburtstag feiert, ist gefragt wie nie zuvor: Er muss den Missbrauchsskandal in der Öffentlichkeit erklären, will die Finanzen der Kirche neu regeln, soll im Kommunionsstreit die widerstrebenden Meinungen seiner Mitbrüder austarieren. Und das sind nur drei der vielen Herausforderungen für den robust wirkenden Kirchenmann, der seit seinem 17. Lebensjahr weiß: „Ich möchte Priester Gottes sein.“
Im grundkatholischen Erzbistum Paderborn aufgewachsen und zum Priester geweiht, erkannten seine Vorgesetzten früh die intellektuellen und geistlichen Begabungen des jungen Theologen. Aus einem Handwerkerhaushalt stammend, weiß Marx um die raue Wirklichkeit der Arbeitswelt – und erhebt zuverlässig seine Stimme, wenn es um Gerechtigkeit, Würde und Forderungen für die „Menschen im Maschinenraum unserer Gesellschaft“geht. Bis heute ist er einer der profiliertesten Vertreter der kirchlichen Soziallehre und lehrte sicher als Professor an einer katholischen Fakultät, hätte er nicht eine steile Kirchenkarriere eingeschlagen: Er war Weihbischof in Paderborn, danach Bischof von Trier und ist seit elf Jahren Erzbischof von München und Freising. Als Mitglied im Kardinalsrat „K9“ist er einer der engsten Berater des Papstes. Und hat auch in dieser Funktion Managementaufgaben inne.
Doch wer Marx und seinen inneren Antrieb wirklich nachspüren will, der hört ihm bei einer seiner Predigten zu. Oder liest sie nach. In der Auslegung der Heiligen Schrift ist Marx als ehrlicher Gottsucher zu erleben. Schnelle Antworten hat er hier nicht, dafür aber tiefe Gedanken. Marx dürfte wenigstens weitere zehn Jahre im Amt bleiben, denn katholische Bischöfe reichen erst im Alter von 75 Jahren ihr Rücktrittsgesuch ein. Ludger Möllers