Das Welterbe aus der Sicht eines Fotografen
Aufnahmen der wichtigsten Kultur- und Naturdenkmäler sind in der Ulmer Stadtbibliothek zu bestaunen
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ULM - Vielleicht wurde Günther Bayerl dieses Projekt schon in die Wiege gelegt. Schließlich wurde er in Aalen geboren: Die Ostalb-Stadt liegt bekanntlich am Rätischen Limes – und der wurde 22 Jahre nach seiner Geburt zum Welterbe der Unesco. So wie mittlerweile 43 weitere Stätten im ganzen Bundesgebiet: mittelalterliche Klöster, barocke Schlösser, bedeutende Industriedenkmäler, Naturparadiese und auch einige ganze Altstädte. Bayerl kennt sie alle: Für den Bildband „Welterbe: Deutschlands lebendige Vergangenheit“hat der Fotograf aus Neu-Ulm sie besucht. Nun lassen sich einige der Aufnahmen auch bei einer Ausstellung in der Ulmer Stadtbibliothek bestaunen.
Das großformatige, im Münchner Frederking & Thaler Verlag erschienene Buch war für den Mittdreißiger das wahrscheinlich größte Einzelprojekt. Zu dem Auftrag kam er 2015 über die Bildagentur, für die er regelmäßig arbeitet. Bei dieser suchte der Verlag nach einem Fotografen mit Schwerpunkt Architektur und Landschaft. Bayerl, der zum Studium nach Ulm kam und sonst vor allem für die Industrie arbeitet, bekam den Zuschlag. Zunächst war ein kleineres Buch geplant, doch als die Verantwortlichen bei Frederking & Thaler die ersten Aufnahmen sahen, sagten sie: „Das sind tolle Bilder, da müssen wir mehr draus machen.“So erzählt es Bayerl. Es wurde das gewichtigste Werk, an dem er je mitgewirkt hat: 4,1 Kilogramm wiegt der Schmöker.
Der Aufwand für den optisch spektakulären Band war beträchtlich, und das nicht nur, weil die 42 enthaltenen Stätten – der Naumburger Dom und die Wikingersiedlung Haithabu bekamen erst nach Veröffentlichung das Unesco-Siegel (wurden aber mittlerweile auch von Bayerl abgelichtet) – über die gesamte Bundesrepublik verteilt sind. Mindestens einen Tag pro Stätte rechnete Bayerl, oft reiste er mittags an, fotografierte am Abend und am darauffolgenden Morgen. Manches ging nicht so schnell: „Für das Wattenmeer habe ich mir fast eine Woche Zeit genommen.“
Immer, so der Fotograf, habe er versucht, unbekannte Perspektiven zu finden, vor allem bei den bekannteren Denkmälern. Beim Kölner Dom erkundete er den Dachstuhl, bei den Pfahlbauten am Bodensee stieg er aufs Dach. Doch nicht nur die Motivsuche kostete Zeit: Um manche Stätten überhaupt fotografieren zu dürfen, musste Bayerl bürokratische Hürden überwinden, vor allem bei der (in Fotografenkreisen gefürchteten) Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die unter anderem Schloss Sanssouci verwaltet. „Ich habe zuhause ganze Ordner mit Verträgen.“
Dem Buch, das neben den Fotos auch Texte des Kunsthistorikers Florian Heine enthält, sieht man diese Mühen nicht an: Der Aufwand hat sich also gelohnt. Auch für Bayerl, der durch das Projekt viele Orte kennengelernt hat. Es gebe wahrscheinlich nicht viele Menschen seines Alters, die beispielsweise die Kloster Corvey in Höxter besuchen würden. Und auch andere Stätten, etwa die Völklinger Hütte, waren dem Globetrotter, der privat eher nach Südamerika oder Asien reist, vor dem Buch völlig unbekannt. „Ich hatte mir Deutschland eigentlich für das Alter aufgehoben“, sagt er und lacht. Aber mit der Beschäftigung sei die Begeisterung gekommen. Manche der Welterbestätten haben bei Bayerl einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. „Das kulturelle Erbe ist etwas, das uns verbindet, das ist identitätsstiftend.“
Finanziell gelohnt hat sich der Einsatz auf den Spuren der Geschichte allerdings nur zum Teil. Das Budget war – wie üblich bei solchen Veröffentlichungen – knapp bemessen, so dass Bayerl den abwechslungsreichen Großauftrag eher als „Alibi, um herumzureisen“nahm. Quasi arbeiten, wo andere Urlaub machen. Aber immerhin: Durch die Welterbe-Tour ergaben sich Folgeprojekte, unter anderem für die Staatlichen Schlösser Baden-Württemberg. „Ich würde gerne öfter solche Aufträge übernehmen“, sagt der Schwabe. Im Herbst erscheint schon ein weiterer Band mit seinen Bildern: „Die schwäbische Donau – eine Flussreise von Donaueschingen bis Neuburg“. Gerne, so sagt Bayerl, würde er noch weiter den Strom entlangreisen, bis zum Schwarzen Meer. Dass er faszinierende Bilder von so einem Trip liefern könnte, daran besteht kein Zweifel.
Ausstellung und Buch: Die Fotoschau kann noch bis 13. Oktober in der Ulmer Zentralbibliothek besichtigt werden. Der Schwerpunkt liegt dort auf den Welterbestätten in Baden-Württemberg. Der Bildband „Welterbe - Deutschlands lebendige Vergangenheit“(320 Seiten) ist im Buchhandel für 98 Euro erhältlich