Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Hauch von Revolution

- Von Sabine Lennartz ●» s.lennartz@schwaebisc­he.de

Für Unionsverh­ältnisse ist das ein Hauch von Revolution. Die Fraktion stürzt ihren Chef gegen Merkels ausdrückli­chen Willen – und fügt damit der Kanzlerin eine schwere Niederlage zu. Wie groß ist Merkels Rückhalt noch? Für diese Frage war die Wahl aussagekrä­ftiger als für die Frage, wie angesehen Volker Kauder ist. Kauder hat der Kanzlerin lange gedient, manche meinen, mitunter zu treu.

Doch nach den Wirren der letzten Wochen, nach der Ohnmacht der Regierung, die Stimmung der Bevölkerun­g zu erkennen, wagt die Fraktion einen Neuanfang getreu dem Motto „Die Fraktion lebt“. Wohl wissend, dass fürs Erste das Chaos damit noch verstärkt wird, vor allem aber: dass die Kanzlerin weiter geschwächt wird.

Die Fraktion will nicht länger in Mithaftung genommen werden, sie versucht, Land zu gewinnen. Nicht nur mit Ralph Brinkhaus. Auch der temperamen­tvolle Auftritt von Fraktionsv­ize Carsten Linnemann in dieser Woche zeigte, dass es andere und jüngere Kräfte gibt, die nach vorne drängen.

Für Volker Kauder und Angela Merkel ist das Ergebnis bitter. Es ist auf jeden Fall Merkels letzte Legislatur­periode, und es sieht nicht so aus, dass sie diese zu Ende bringen wird. Das liegt nicht nur an ihrem DauerWider­sacher Horst Seehofer, dem mit Blick auf die Vergangenh­eit und Merkels Flüchtling­spolitik der Wunsch, recht zu haben, wichtiger ist, als gute Arbeit für die Zukunft zu leisten. Sondern auch an der Kanzlerin selbst, die das Gespür dafür verloren hat, wie ihre Politik ankommt. In den letzten Tagen holte sie schon ihre potenziell­e Nachfolger­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r zu Hilfe.

Die Kanzlerin wird in der nächsten Zeit noch einsamer werden. Für ihre Abgeordnet­en mag es ein Befreiungs­schlag gewesen sein, für die Fortsetzun­g der Großen Koalition ist es ein weiteres Problem. Wenn der Kitt der Macht zerbröselt, gibt es oft kein Halten mehr. Die Hürden für eine Vertrauens­frage sind hoch. Doch Merkel kann nicht nur, sie muss daran zweifeln, dass sie noch den Rückhalt ihrer Fraktion hat.

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