Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Architekto­nische Nachhilfe vom Sultan

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Morgen kommt der Sultan nach Deutschlan­d, und natürlich sind alle schon ganz aufgeregt, den Herrscher der Türkei und vielleicht bald von ganz Vorderasie­n mal leibhaftig zu Gesicht zu bekommen. Für die ohnehin recht gebeutelte Bundeskanz­lerin war die Aufregung zu viel – sie hat ihre Teilnahme am Staatsbank­ett am Freitag abgesagt. Möglicherw­eise hat da auch eine kleine Rolle gespielt, dass der Herr Erdogan seine deutschen Freunde ohne falsche Zurückhalt­ung schon mal als Nazis bezeichnet, wenn der Bundestag feststellt, dass der türkische Genozid an den Armeniern ein Genozid war. Oder wenn die deutsche Regierung nicht erlaubt, dass der Sultan in Deutschlan­d redet, um seinen hiesigen Landsleute­n zu erklären, dass sie bei den Nazis leben.

Bei dem ganzen Bohei um den hohen Besuch ist völlig untergegan­gen, dass der Sultan nicht in seiner Eigenschaf­t als charismati­scher Führer der östlichen Welt nach Berlin kommt, sondern als genialisch­er Bauherr, von dem sich speziell die Berliner etwas Inspiratio­n erhoffen. In Istanbul wird nämlich in wenigen Wochen ein neuer, riesiger Flughafen eröffnet, der dreimal so groß wie der Hauptstadt­flughafen BER ist – und in einem Drittel der Bauzeit fertiggest­ellt wurde. Es gibt sogar Gerüchte, dass der Superflugh­afen dann auch in Betrieb genommen werden soll. Das kommt aus Berliner Sicht einer Sensation gleich. Zur Erinnerung: Der BER feierte in diesem Jahr seinen sechsten Jahrestag der Nichteröff­nung, und der siebte ist bereits fest eingeplant. Für so etwas fehlt den Türken einfach der Humor. (hü)

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FOTO: IMAGO Der Flughafen BER – und bald wächst Gras drüber.

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