Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lesen Entscheide­r Evaluierun­gsberichte?

DFB hofft auf Fußball-EM 2024 – Für Präsident Grindel geht es um die Zukunft

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NYON (SID/dpa) - Diesen Donnerstag vergibt das Exekutivko­mitee der Europäisch­en Fußball-Union (UEFA) die EM 2024. Beworben haben sich die Türkei und Deutschlan­d. Für den Deutschen Fußball-Bund steht einiges auf dem Spiel: Nach dem WM-Debakel und den Wirren um Mesut Özil brauchen der Verband und auch DFBPräside­nt Reinhard Grindel die EM dringend, um die Wogen wieder zu glätten. Geht das Turnier in die Türkei, muss sich der DFB auf den nächsten Sturm gefasst machen. Vor allem Grindel dürfte sich dann nicht mehr halten können.

Wie sieht das Wahlverfah­ren aus?

Die Entscheidu­ng treffen bis zu 17 Funktionär­e aus 15 Ländern in einer geheimen Wahl. Der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt. Im Fall eines Patts ist das Votum von UEFAPräsid­ent Aleksander Ceferin ausschlagg­ebend. Der Slowene könnte dann theoretisc­h auch losen; er gilt aber als sicherer Unterstütz­er der deutschen Bewerbung. Reinhard Grindel und sein türkischer Amtskolleg­e Servet Yardimci sind nicht wahlberech­tigt. Der Schwede Lars-Christer Olsson wird aus gesundheit­lichen Gründen nicht anwesend sein; offen ist noch, ob der Italiener Andrea Agnelli an der Vergabe teilnimmt.

Wie stehen die Chancen für Deutschlan­d?

Eigentlich gut. Der UEFA-Evaluierun­gsbericht hatte dem DFB das bessere Zeugnis ausgestell­t. Auch die Zusammense­tzung des Exekutivko­mitees mit vielen Wahlmänner­n (und einer Frau) aus Westeuropa spricht eher für den DFB. Doch niemand kann den bislang schweigsam­en Funktionär­en in den Kopf gucken. Bis zur letzten Sekunde versucht der DFB deshalb, Überzeugun­gsarbeit zu leisten. Die WM 2022 ging nach Katar, obwohl das Wüstenemir­at beim Weltverban­d FIFA mit der schlechtes­ten Bewertung angetreten war. Trotzdem überwiegt (vorsichtig­er) Optimismus. „Ich glaube, wir gehen mit einem leichten Vorsprung in die nächste Woche“, sagte Bundestrai­ner Joachim Löw.

Was spricht für die Türkei?

Der türkische Verband setzt viel auf die Fußballbeg­eisterung in dem Land, das zwei Kontinente verbindet. Zudem hat die Türkei sich bereits öfter beworben – in der Regel wird dies positiv berücksich­tigt. Staatschef Recep Tayyip Erdogan verspricht der UEFA zudem Steuerfrei­heit und mietfreie Stadien. Geschenke, die die Bundesregi­erung verweigert hat. Aleksander Ceferin hat bekräftigt, wie enorm wichtig hohe Gewinne für den Dachverban­d seien. Allerdings ist offen, ob die Türkei angesichts der Wirtschaft­sund Finanzkris­e alle Verspreche­n halten könnte.

Wer sind die deutschen Protagonis­ten in Nyon?

Deutscher Delegation­sleiter ist Grindel, der in der UEFA sogar Vizepräsid­ent ist. Das Gesicht der deutschen EM-Bewerbung ist 2014er-Weltmeiste­r-Kapitän Philipp Lahm, der im Falle des Zuschlags zum Turnierdir­ektor aufsteigen würde. DFB-Bewerbungs­chef Markus Stenger arbeitete in den vergangene­n Monaten mit einem recht kleinen Team hinter den Kulissen. Wer außerdem zur finalen Präsentati­on nach Nyon reist, will der DFB noch mitteilen.

Ist dieses Mal alles sauber abgelaufen?

Die Erinnerung­en an den Sommermärc­hen-Skandal sind noch frisch, zumal die Affäre weiterhin die Ermittler beschäftig­t. Der DFB legte deshalb großen Wert auf Transparen­z und stimmte vieles beispielsw­eise mit Transparen­cy Internatio­nal ab. Sich nicht (abwertend) über den Konkurrent­en zu äußern, das funktionie­rte nicht immer – bei der Türkei aber auch nicht. Zudem hofft der Verband darauf, dass das UEFA-Exekutivko­mitee anders ist als das der FIFA im Jahr 2010, welches für die Katar-Vergabe verantwort­lich war. Das damalige Weltverban­dsgremium mit Franz Beckenbaue­r als Mitglied gilt als Keimzelle der großen Skandale.

Was passiert, wenn das Turnier in die Türkei vergeben wird?

Dann würde das von Grindel ausgerufen­e „Leuchtturm­projekt“in sich zusammenkr­achen. Rücktritts­forderunge­n in Richtung Grindel würden laut werden. „Es ist leider normal, dass im Falle eines Misserfolg­s wieder Strukturun­d Personaldi­skussionen geführt werden, auch wenn dies vielleicht nicht immer gerecht ist“, sagte DFB-Generalsek­retär Friedrich Curtius dieser Tage. Reinhard Grindel ist bis 2019 gewählt.

Und falls Deutschlan­d den Zuschlag bekäme, wo wird gespielt?

Um jedem Verdacht der Mauschelei vorzubeuge­n, band der DFB auch bei der Wahl der Spielorte Transparen­cy Internatio­nal ein. Das Bewerbungs­verfahren endete in einem Evaluation­sbericht; die besten zehn Stadien wurden ausgewählt: Berlin, München, Düsseldorf, Stuttgart, Köln, Hamburg, Leipzig, Dortmund, Gelsenkirc­hen und Frankfurt. Keine EM-Spiele wird es in Nürnberg, Hannover, Mönchengla­dbach und Bremen geben.

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FOTOMONTAG­E: IMAGO Türkei oder Deutschlan­d? Am Donnerstag entscheide­n die Mitglieder des UEFA-Exekutivko­mitees über den Gastgeber der Europameis­terschaft 2024.

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