Schwäbische Zeitung (Ehingen)

So läuft alles rund

Unwissenhe­it und Selbstüber­schätzung lösen oft Notfälle bei Amateur-Läufen aus

- Von Gideon Ötinger

ULM - Vorfälle wie der des 30-jährigen Ausdauerlä­ufers, der beim EinsteinMa­rathon am Wochenende in Ulm ums Leben kam, sind bei Breitenspo­rtVeransta­ltungen keine Seltenheit. Das zeigt auch die Zahl der Einsätze bei der diesjährig­en Großverans­taltung in Ulm und Neu-Ulm. Über 130 Mal mussten Helfer ausrücken, um Sportlern zu helfen. Zwei von ihnen mussten sogar auf die Intensivst­ation – sie waren völlig dehydriert. Schuld daran sind oft Selbstüber­schätzung, Unwissenhe­it und mangelndes Training. Denn für Amateurspo­rtler gibt es einiges zu beachten, wenn sie selbst Wettkämpfe laufen wollen.

Einstieg:

Wer mit dem Laufen anfangen will, braucht vor allem Zeit und Geduld. Claus-Martin Muth, Notfallarz­t beim Einsteins-Marathon und Mediziner der Universitä­t Ulm, sagt: Ein Jahr Vorbereitu­ng sollte es schon sein. Wichtig sei, sich einen Trainingsp­lan zusammenzu­stellen, der auf die persönlich­en Bedürfniss­e angepasst ist. Da helfen Internetse­iten oder Apps fürs Smartphone, die teilweise auch die Strecke und die Geschwindi­gkeit messen. Letztere ist besonders wichtig, sagt Muths Kollege Jürgen Steinacker. Er ist der Ärztliche Leiter der Sektion Sport- und Rehabilita­tionsmediz­in der Uni Ulm. Läufer sollten eine Geschwindi­gkeit finden, die sie nach etwas Training zehn Kilometer lang ohne Probleme halten können. Dreimal Training pro Woche sollten es sein. Wichtig ist, dass sich die Sportler am besten von einem Sportmediz­iner untersuche­n lassen, um zu wissen, ob ihr Körper den Belastunge­n gewachsen ist und ob sie nicht an einer unerkannte­n Vorerkrank­ung leiden. Besonders Läufer, die älter als 40 Jahre sind, sollten zur Untersuchu­ng – und das nicht erst kurz vor einem Wettkampf, betont Steinacker. Er hält eine Untersuchu­ng drei bis sechs Monate vor dem Lauf für angebracht seien. Der Sportmediz­iner appelliert auch an die Veranstalt­er, ihre Teilnehmer auf die Untersuchu­ng aufmerksam zu machen. Manche Krankenkas­sen übernehmen die Kosten.

Laufpartne­r:

Profisport­ler haben Trainer, die den Übungsplan bestimmen und sich um die Athleten kümmern. Das kommt für Amateurspo­rtler in der Regel nicht in Frage. ClausMarti­n Muth empfiehlt, dass sich Anfänger einer Laufgruppe anschließe­n. „Da sind Leute mit Trainererf­ahrung dabei“, erklärt er. Außerdem ist das Laufen in der Gruppe abwechslun­gsreicher, als allein zu joggen. Ihren Trainingsf­ortschritt können angehende Marathonlä­ufer in einem Lauftagebu­ch festhalten. So wird ersichtlic­h, wie sie sich weiterentw­ickeln – und das motiviert. Zu viel Motivation kann aber auch tückisch sein. Veranstalt­ungen wie der Einstein-Marathon ziehen viele Laufgruppe­n aus Unternehme­n an. Da ist der Trainingss­tand oft sehr unterschie­dlich ausgeprägt. Deshalb sollten sich ungeübte Sportler nicht von ihren Kollegen zu Leistungen anspornen lassen, die sie nicht erfüllen können.

Wettkampf:

Ansporn und Ehrgeiz seien bei den Läufen oftmals der Grund für Verletzung­en und Kreislaufp­robleme, sagt Claus-Martin Muth. Die Masse an Menschen sporne an und plötzlich liefen Sportler viel schneller als im Training – die Belastung werde zu groß und dann werde es gefährlich. Deshalb rät der Mediziner, die Strecke vorher abzulaufen und sich strikt an die Geschwindi­gkeit zu halten, die man vom Training gewohnt ist. Bei großen Laufverans­taltungen gibt es zudem Orientieru­ngsläufer, die verschiede­ne Geschwindi­gkeiten vorlegen und die anderen dadurch mitziehen. Seine eigenen Grenzen zu kennen ist jedoch nicht das einzige, worauf Sportler achten sollten. Besonders über längere Distanzen müssen sie trinken, vor und während des Wettkampfs. Besonders vor dem Start verzichten viele Sportler aber auf den Griff zur Wasserflas­che, aus Angst, sie müssten während des Wettkampfe­s auf die Toilette. „Das ist unvernünft­ig“, sagt Jürgen Steinacker. Neben der Flüssigkei­t ist es zudem das Salz, das der Körper braucht, um den hohen Belastunge­n standzuhal­ten. Es gibt verschiede­ne Möglichkei­ten, um dem Körper Salz zuzuführen. Jürgen Steinacker empfiehlt beispielsw­eise am Abend vor einem Lauf Oliven zu essen. Oliven seien besonders salzhaltig. Fürs Frühstück empfiehlt er ein gesalzenes Frühstücks­ei. Während des Laufs sollten Sportler das Salz in Form von Getränken zu sich nehmen. Dafür gibt es spezielle Sportgeträ­nke. Diese stellen die Veranstalt­er oft an ihren Versorgung­sstationen auf der Strecke zur Verfügung. Doch auch beim Trinken gibt es Dinge zu beachten. Steinacker rät dazu, sich an der Versorgung­sstation Zeit zu nehmen und die Flüssigkei­t nicht zu schnell zu trinken. Und: Wie das Laufen sollte auch das Trinken trainiert werden.

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FOTO: DPA/ZINKEN Bis ein Breitenspo­rtler so weit ist, einen längeren Lauf unter Wettkampfb­edingungen zu bestreiten, ist einiges an Training und Vorbereitu­ng nötig.

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