Vorsicht Blasengefahr
In etlichen deutschen Großstädten sind die Immobilienpreise auf gefährliche Hochs gestiegen
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FRANKFURT - Droht eine Immobilienblase in Deutschland? Das Risiko sei zumindest da, sagte der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Felix Hufeld vergangene Woche. Aktuell gebe das Kreditwachstum zwar noch keinen Anlass zur Sorge, sagte Hufeld dem „Handesblatt“. Aber: „Wenn die Preise so weiter steigen und sich auch in ein Übermaß an Kreditwachstum übersetzen würden, könnten wir aktiv werden“, stellte Hufeld in Aussicht.
Noch aber, das sagt auch die Deutsche Bundesbank immer wieder, gebe es keine Anzeichen einer Überschuldung, auch wenn sie immer wieder zur Vorsicht warnt. Denn Immobilienkäufer in Deutschland stecken nach wie vor zehn bis zwanzig Prozent Eigenkapital in die Finanzierung – wenn auch zu hören ist, dass vereinzelt Käufer ihre Immobilie voll finanzieren.
Allerdings gibt die Entwicklung in einigen Ballungsgebieten dennoch Grund zur Sorge. So bewertet eine aktuelle Studie der Schweizer Bank UBS das Risiko einer Immobilienblase in mehreren deutschen Großstädten als hoch. Zwei Beispiele sind München und Frankfurt: Größer als in München sei das Risiko einer Blase nur in Hongkong: In der bayerischen Landeshauptstadt haben sich die Immobilienpreise in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Sie scheinen „auf einem explosiven Kurs“zu sein, formulierten die Experten der UBS das recht dramatisch. Ein qualifizierter Arbeitnehmer im Dienstleistungssektor müsse für den Kauf einer 60-Quadratmeter-Wohnung in München acht volle Jahreseinkommen aufbringen. Auch die Bautätigkeit habe massiv zugenommen: „Falls die Hypothekenzinsen steigen, scheint eine Korrektur wahrscheinlich“, heißt es weiter.
Der UBS zufolge sind typische Anzeichen einer Blase die Entkopplung der Immobilienpreise von der regionalen Lohnentwicklung sowie eine exzessive Bautätigkeit und Hypothekenkreditevergabe.
Auch in Frankfurt zeigt der Trend seit Jahren nach oben. Allein im vergangenen Jahr stiegen die Preise um 15 Prozent. Weil die Main-Metropole sich Hoffnungen macht, vom Brexit zu profitieren und das wirtschaftliche Umfeld in der Stadt ohnehin sehr gut ist, bestehe noch Raum für Höherbewertungen, meint die UBS. „Für die großen Städte in Deutschland haben wir ein Muster gefunden, das darauf hindeutet, dass dort Spekulation stattfindet“, sagt Claus Michelsen, Ökonom des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das müsse man sich genauer anschauen. Bundesweit sei die Lage jedoch entspannter: „Gegen eine landesweite spekulative Übertreibung spricht vor allem, dass die Verschuldung der Haushalte in Deutschland noch relativ gering ist“, glaubt Michelsen.
Kein systemisches Risiko
Solange die Nachfrage so hoch sei und nicht nur „auf Pump“gebaut werde, gebe es keinen wirklichen Grund zur Sorge, meinen auch Immobilienexperten wie Thomas Beyerle, Leiter Research bei der Immobilienberatungsgesellschaft Catella. „Die Preisentwicklung ist nicht rein spekulativ“, sagt auch Stefan Schneider, Chefökonom Deutschland bei der Deutschen Bank. Sollte es zu Preiskorrekturen kommen, dann bedeute das nicht auch ein systemisches Risiko für die Banken, dazu sei die Kreditentwicklung noch nicht groß genug.
Das war bei der letzten Finanzkrise das Problem gewesen: Da hatten sich in den USA viele Menschen eine Immobilie auf Pump gekauft, die sich das eigentlich nicht leisten konnten. Auch damals waren die Immobilienpreise hoch, die Zinsen niedrig. Als dann die Blase platzte, fielen die Preise unter den Kaufpreis, die Immobilie war also als Sicherheit weniger wert, gleichzeitig stiegen die Zinsen – die Kredite wurden also noch teurer. Die Folge: Die Kredite mussten abgeschrieben werden, die Banken kamen ins Wanken. Ein solches Szenario ist in Deutschland noch nicht zu befürchten. Die Bonität der Kreditnehmer sei gut, attestiert ihnen auch regelmäßig die Deutsche Bundesbank. Allerdings sehen Experten mit Sorge, dass die Immobilienpreise stärker gestiegen sind als Löhne und Einkommen. Auch die Entwicklung von Mieten und Kaufpreisen gehe auseinander, heißt es in einer DIW-Studie aus dem Sommer. Die Kaufpreise seien seit dem Jahr 2010 um ein Fünftel stärker gestiegen als die Mieten. Die Käufer spekulieren auf steigende Immobilienpreise, nicht auf steigende Mieten.
Ein weiterer Grund: die sehr niedrigen Zinsen. Viele Deutsche wissen nicht, wie sie ihr Geld anlegen sollen. Sie investieren es lieber in „Betongold“als es in andere Substanzwerte wie etwa Aktien zu stecken. Die Gefahr ist auch, dass die Käufer sich wegen der niedrigen Zinsen höher verschulden als sie das zu anderen Zeiten tun würden. Wenn dann die Hypothekenzinsen steigen birgt das die Gefahr, dass eine Umschuldung nach dem Auslaufen des ersten Kredits die monatlichen Kosten in die Höhe treibt und die Kunden sich zumindest schwerer tun, diesen Kredit abzuzahlen.
Die meisten Käufer hätten für ihre Kredite aber wegen der niedrigen Zinsen lange Laufzeiten gewählt, sagt Immobilienanalyst Beyerle von Catella Research. Deshalb dürfte eine Zinswende sich erst verzögert auswirken.