Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Ur-Ehinger feiert seinen 80. Geburtstag

Wolf Brzoska ist Stadtrat, pensionier­ter Lehrer und Mitbegründ­er der Partnersch­aft zu Esztergom

- Von Tobias Götz

EHINGEN - Der Ehinger Wolf Brzoska feiert am Donnerstag seinen

80. Geburtstag. Er ist ein Mann, der Ehingen durch seine Arbeit als Stadtrat für die Freien Wähler, als Lehrer am Gymnasium und nicht zuletzt als Mitbegründ­er der Städtepart­nerschaft zum ungarische­n Esztergom geprägt hat und weiter prägen möchte.

„Ich bin Ehinger von Geburt an“, sagt Wolf Brzoska und nimmt Platz in seinem kleinen Wintergart­en am Wolfertweg. Es ist sein Elternhaus, in dem Brzoska mit seiner Frau Gudrun wohnt – an einer der schönsten Ecken in Ehingen. „Früher hatten wir im Garten Rüben und Kartoffeln angepflanz­t“, erinnert sich Brzoska an die Nachkriegs­zeit, in der er aufgewachs­en ist. Die Erinnerung­en an diese Zeit sind bei dem heute 80-Jährigen präsent, aber nicht negativ belastet. „Mein Vater ist 1944 im Krieg gefallen, das war für meine Mutter mit vier Kindern schwer. Dennoch hatte ich eine schöne Kindheit in Ehingen“, sagt Brzoska und erklärt: „Die Sorgen hatten nicht wir Kinder, sondern unsere Mutter.“

Nach der Volksschul­e ist der junge Wolf Brzoska dann auf das Ehinger Gymnasium gegangen, um dort im Jahr 1958 sein Abitur zu machen. Es folgten das Studium der Chemie, Biologie und Geologie an den Universitä­ten in Freiburg, Saarbrücke­n und Innsbruck.

Forschung auf 3200 Metern

„Mein Ziel war es schon immer, Lehrer zu werden. Mein Vorbild in der Schule war mein Lehrer Paul Bechter. Er hat meine Begeisteru­ng für Naturwisse­nschaften entfacht“, erklärt Brzoska, der nach dem Examen drei Jahre an der Uni in Innsbruck an seiner Doktorarbe­it geforscht hat – und zwar auf 3200 Metern Höhe. „Ich habe gemessen, wie viel Energie eine Pflanze am Rande des Gletschers durch Sonneneins­trahlung entwickelt“, sagt Brzoska, der dann nach seinem Referendar­iat in Rottweil im Jahr 1970 als Lehrer ans Ehinger Gymnasium kam. „Wir waren damals nur zwei Chemielehr­er. Also haben wir unseren Dienst getan mit 39 Schülern in der Klasse“, so Brzoska, der seine Schüler der 70er-Jahre als die „kritischen“bezeichnet. „Die waren von der 68er-Generation geprägt. Die wollten nur diskutiere­n. Zum Glück habe ich Naturwisse­nschaften unterricht­et, da gibt es nichts zu diskutiere­n“, sagt Brzoska mit einem Lächeln. In all den Jahren habe er aber immer ein gutes Verhältnis zu seinen Schülern gehabt. „Heut noch kommen Schüler zu Besuch. So etwas ist nicht mit Mark und Pfennig aufzuwiege­n“, erklärt Brzoska, dessen bester Chemie-Leistungsk­urs im Jahr 1999 mit einem Schnitt von 11,2 Punkten abschloss. Dass zu seinen Schülern der bereits ebenfalls pensionier­te Schulleite­r Wolfgang Aleker gehörte, erachtet Brzoska als eine Randnotiz. „So viele Ehinger sind bei mir zur Schule gegangen.“Nach seiner eigentlich­en Pensionier­ung hat Brzoska noch bis zu seinem 75. Lebensjahr an der Schule in Blönried gearbeitet, davor war er als Lehrer in Rumänien und Ungarn tätig.

Liebe zum Osten

Doch nicht nur die Schule und die Arbeit als Lehrer haben Brzoska geprägt – auch die Liebe zum Osten, speziell zu Ungarn, beanspruch­en einen großen Teil seines Lebens. „1988, damals unter OB Johann Krieger, hätte Ehingen fast eine Urkunde als einzigste Stadt Deutschlan­ds ohne Partnersta­dt bekommen“, erinnert sich der Stadtrat Brzoska, der seit 1988 im Gremium sitzt. Brzoska schlug damals die Königsstad­t Esztergom vor. „Eigentlich hatte ich keine Beziehung zu Ungarn. Lediglich der Ungarn-Aufbruch im Jahr 1956 hat mich beeindruck­t“, erinnert sich Brzoska, der im Nachhinein sagt, dass sich der ganze Aufwand und die Mühe in Sachen Partnersta­dt „mehr als gelohnt hat“. Denn: „Wenn wir Europa richtig machen wollen, müssen wir das an der Basis tun.“Brzoska begann dann, Ungarisch zu lernen und bezeichnet seine Sprachfert­igkeiten heute als „Gastarbeit­er-Ungarisch“. Immerhin hat es der Ehinger mittlerwei­le zum Ehrenbürge­r der Stadt Esztergom geschafft, ihm und seiner Frau Gudrun wurde zudem die Auszeichnu­ng „Pro Cultura Hungarica“verliehen. Auch die Staufermed­aille des Landes Baden-Württember­g hat sich Brzoska bereits verdient.

Gerne möchte Wolf Brzoska indes auch nach der Kommunalwa­hl im kommenden Jahr im Stadrat für die Freien Wähler sitzen. „In Ehingen bräuchten wir eigentlich keine Parteien. Wir Stadträte sind Bürger, die von ihren Freunden gewählt werden. Doch ich finde, dass ich als 80-Jähriger viel Ehinger Geschichte miterlebt habe, die ich in meine Arbeit einbringen kann“, so Brzoska, der sich deswegen auch als Mitglied seiner „Mini-Fraktion“nicht im Nachteil sieht. „Wir sind ein Nicht-AbnickGrem­ium in Ehingen, das aber dennoch die Verwaltung nach Kräften unterstütz­t“, betont Brzoska, der sich in seiner Zeit als Ehinger am meisten darüber geärgert hat, dass in den 60er-Jahren so viele alte Ehinger Gebäude abgerissen wurden. „Das ist heute Gott sei Dank anders“, freut sich Brzoska, der seinen Geburtstag „gmiatlich dahoim“feiern wird – mit dem Besuch von OB Alexander Baumann am Nachmittag.

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SZ-FOTO: TG Wolf Brzoska wird 80.

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